Asyl durch Parlamentsantrag

■ Die Geschäftsordnung des rheinland–pfälzischen Landtags macht es möglich: Die Abgeordneten können zur Abstimmung über jeden einzelnen Asylantrag gezwungen werden / Vorschrift noch nie angewendet

Aus Mainz Felix Kurz

Auf den rheinland–pfälzischen Landtag kommt ein neues Aufgabengebiet zu: In Zukunft müssen die Parlamentarier über jede einzelne Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers abstimmen. So jedenfalls sieht es der grüne Landtagsabgeordnete Gernot Rotter. „Jeder Abgeordnete kann innerhalb von sieben Werktagen nach Verteilung der Sammelübersicht beantragen, einen Beschluß des Petitionsausschusses aufzuheben. Über den Antrag entscheidet der Landtag“, heißt es in Paragraph 100, Absatz 2 der Geschäftsordnung des rheinland– pfälzischen Landtags. Völlig unberührt schlummerte diese Vorschrift seit ihrer Aufnahme am 24.2.1971 im Regelwerk der Parlamentarier. Jetzt allerdings wurde auch dieser Paragraph durch den grünen Abgeordneten Gernot Rotter unsittlich wachgeküßt. Der will dadurch nämlich die Abschiebung des ghanesischen Flüchtlings Kwabena Owuso Aduemire in sein Heimatland verhindern. Am 5.Juni 86 war der damals 26jährige Landwirt aus Ghana in die Bundesrepublik eingereist. Zur Begründung seines Asylantrages führte er aus, sowohl seine als auch die danebenliegende staatliche Kakaofarm seien durch einen Unglücksfall abgebrannt, doch die dortige Militärdiktatatur habe ihm vorgeworfen, er habe aus Sabotage den Staatsbetrieb eingeäschert. Kwabena Aduemire, den ein ghanesisches „Volksgericht“ (diese Sondergerichte haben die Militärs neben den ordentlichen Gerichten zur Verfolgung politi scher Gegner installiert) inzwischen zu 15 Jahren Haft verurteilt hat, bestreitet diesen Vorwurf. Doch der Ghanese blitzte bei den rheinland–pfälzischen Gerichten mit seinem Asylantrag ab. Der sei „offensichtlich unbegründet“, entschieden die Juristen. Im Verlauf des gesamten Asylverfahrens wurde Aduemire nur ein einziges Mal mündlich zu seinen Fall gehört. Das war im Auffanglager Ingelheim, dauerte ganze 26 Minuten und erfolgte ohne Dolmetscher in englischer Sprache und nicht in der Muttersprache des Geflüchteten. Diese Vorgehensweise nennt der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Kirn, Arnold Löwenbrück, eine „Farce“. In seiner Gemeinde wohnt der Ghanese, und Löwenbrück hat inzwischen den Eindruck, „daß viele unserer Behörden, vor allem nachgeordnete Stellen, nach dem Motto verfahren: Schwarze wollen nur an unserem Wohlstand partizipieren und lügen deshalb alle“. Nachdem Innenminister Rudi Geil (CDU) es abgelehnt hatte, dem Ghanesen wenigstens den Aufenthalt zu gestatten, wandte sich der Mainzer Rechtsanwalt des Flüchtlings, Karl–Heinz Bisping, an den Petitionsausschuß - vergeblich. Guter Rat war teuer. Bisping kramte in der Geschäftsordnung des Landtages und stieß auf den Paragraphen 100, Absatz 2 und gewann Gernot Rotter zum Bundesgenossen. Heute müssen die vier Parteien im Landtag nun darüber entscheiden, ob die ablehnende Haltung des Petitionsausschusses auf Antrag aufgehoben wird und Aduemire in der BRD bleiben kann. Zehn Minuten Redezeit hat jede Fraktion.