Spiel auf Zeit im Thälmann–Prozeß

Düsseldorf (taz) - Zum 16.Verhandlungstag kam der wegen Beihilfe zum Mord an Ernst Thälmann angeklagte ehemalige SS– Oberstabsscharführer Wolfgang Otto mit Krücke. Eigentlich sollte die Vernehmung des Zeugen Fricke vorbereitet werden, der in der Schreibstube des KZs Buchenwald tätig war. Zu diesem Zweck wären die Meldebücher für Telegramme der Schreibstube als Beweismittel in den Prozeß eingegangen. Otto hatte die Telegrammeingänge abgezeichnet. Die Kernfrage des Revisionsprozesses, ob nämlich Otto zur für den Thälmann–Mord angenommenen Zeit im KZ anwesend war, stünde somit endlich auf der Tagesordnung. Nun war der Angeklagte aus der Straßenbahn gestürzt, wobei er sich einen Fuß geprellt, „vermutlich sogar angebrochen“ hatte - so jedenfalls die Diagnose des Arztes Dr. Lottner. Ausführlich referierte er dem Gericht den insgesamt sehr schlechten Gesundheitszustand des Angeklagten und kam zum Gesamtbefund, Otto sei nur „in geringem Umfang verhandlungsfähig.“ Dennoch brach der Vorsitzende Richter Legde die Verhandlung nicht einfach ab. Einige alte Aussagen wurden statt der Themen, die den Prozeßverlauf besonders beansprucht hätten, zur Verlesung gebracht. Der nächste Prozeßtermin fällt aus. Allmählich nähert sich der Prozeß seinem Hauptgegenstand, die Verteidigung scheint auf Zeit zu spielen. Bernd Gäbler