Andere Bilder braucht die Frau

■ Und noch eine Textesammlung zu PorNO - jetzt aus dem Konkursbuch-Verlag / Subversion statt Verbot lautet der gemeinsame Nenner von Frauen und Pornographie / Doch die feministische Intelligenzija ist ansons

Andere Bilder braucht die Frau

Und noch eine Textesammlung zu PorNO - jetzt aus dem

Konkursbuch-Verlag / Subversion statt Verbot lautet der

gemeinsame Nenner von „Frauen und Pornographie“ / Doch die feministische Intelligenzija ist ansonsten ratlos / Ist

nicht schon alles gesagt?

Von Ulrike Helwerth

Subversion statt Verbot lautet der gemeinsame Nenner eines Buches, das - als Antwort auf die PorNO-Kampagne der 'Emma‘

-jetzt im Konkursbuch-Verlag erschienen ist. Journalistinnen und Juristinnen, Soziologinnen und Schriftstellerinnen, Psychologinnen und Künstlerinnen schreiben, malen und zeichen über das Verhältnis von Frauen und Pornographie: über Gewalt und Sexismus, aber auch über weibliche Phantasien, über den „Porno im eigenen Kopf“ und wie sie die von Männern total besetzte Bilderwelt unterlaufen, verändern können. Einen Beitrag zu mehr „erotischer Kultur“ wünschte sich die Herausgeberin Claudia Gehrke.

Die aktuelle Diskussion über Pornographie langweile sie, sie habe keine Lust, sich mit den „immergleichen Argumente“ auseinanderzusetzen, schreibt Marlis Gerhardt. Der Kulturredakteurin beim Süddeutschen Rundfunk mag mancheR beipflichten. Dieser Klärung folgt ein Plädoyer gegen „Bildverbot und Bildersturm“ und für mehr weiblichen Mut, die eigenen Phantasien jenseits von „softer Pornographie“ zu entwickeln. Der Text ist zwar klug formuliert, bringt aber leider keinen neuen Aspekt. Das ist das Dilemma: Wenn's um Porno (oder um Sex im allgemeinen) geht, wollen alle mitreden. „Diskursivierung des Sexes“ heißt das zeitgemäß. Die meisten Argumente sind allerdings schon zu Brei gekaut.

Das hat auch Christel Dormagen erkannt. Sie quält sich deshalb mit dem Problem herum: „Wie gelingt mir die Produktion der avanciertesten Meinung?“ Amüsant und selbstironisch schildert sie, wie ihr die richtige Linie abhanden kam, nachdem sie alles bereits Gesagte zum Thema gründlich studiert hatte. Zum Glück fand sie zum Schuß doch noch ihre „Vordenkefrau“, in deren argumentativer Nähe sie sich bedenkenlos niederlassen konnte, ohne „in den Verdacht der geschlechtsverräterischen Hörigkeit“ zu geraten. Angemessen klug und parteilich. Sie fand sie allerdings an unvermutetem Ort: Bei der 'FAZ‘. (Aber es ist ja bekannt, daß die PorNO-Debatte zu den merkwürdigsten Koalitionen führt.) Den Namen ihrer „Meisterdenkerin“ bleibt Christel Dormagen ihren LeserInnen allerdings schuldig. Wahrscheinlich will sie nicht mitmachen in diesem „totalen Name-dropping-Krieg“, den sie in der Porno-Diskussion ausgemacht haben will. Letztlich käme es dabei nämlich nicht darauf an, was gesagt wird, sondern wer etwas sagt. Dennoch würde die eine oder der andere doch ganz gern erfahren, was jene kluge 'FAZ'-Frau meinte. Schön zu wissen, daß sie unsere Autorin aus dem „Entweder-Oder-Zwang“ befreite, sie so Frauen und Männer zu Wort kommen ließ und feststellte, daß es zur Zeit „keine klippklaren Antworten, sondern mehrere schwierigen Fragen“ gibt. Aber was sonst ...?

Elfriede Jelinek - das hörten wir bereits anderweitig - ist für ein Anti-Porno-Gesetz. Gäbe es eines, stünde sie aber womöglich selbst auf dem Index. Mehr als einmal ist der österreichischen Schriftstellerin vorgeworfen worden, sie schreibe pornographische Texte. Schade, daß Elfriede Jelinek eine zwar gründliche, aber langsame Nachdenkerin ist. Längere Ein- und Auslassungen zum Thema hätten mich aus ihrer Feder ganz besonders interessiert. So aber wiederholt sie in Kurzfassung, was sie bereits vor Wochen gegenüber der taz sagte. Ob ein Text sexistisch sei oder nicht, müsse an seiner Intention gemessen werden.

Wird die Erniedrigung von Frauen gebilligt oder kritisiert? Sie selbst („Ich würde ... sagen, daß ich Anti-Pornographie schreibe.“) entwerfe obzöne, pornographische Szenen, um die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen deutlich zu machen. Feministische Politik also. Was sie damit meint, demonstriert sie am Text „Lust“. Eine drastische Schilderung sexueller Ehe-Tät(l)ichkeiten hinter den eternitverkleideten Mauern ordentlicher Einfamilienhäuser.

Was die „erotischen Produktionen“ in diesem Buch angehen, „Spermastory“ von Cornelia Arnhold und „Mein Porno“ von Friederike Frei, kann ich nur sagen: Geschmack ist eben Geschmackssache. ManNO hinter PorNO?

Eine Abrechnung mit der PorNO-Kampagne, genauer mit Alice Schwarzer, macht Cora Stephan. Auf der 'Emma'-Hitliste der bad girls dürfte sie inzwischen ganz oben stehen. Von der 'Emma'-Chefin ist ja bekannt, daß sie ihre Kontrahentinnen gern dessavouiert, indem sie ihnen unlautere Motive unterstellt. Cora Stephan dreht diesen Spieß einfach um. Sie hat den „Diskurs hinter dem Diskurs“ von Alice Schwarzer entdeckt. Es ginge nämlich gar nicht in erster Linie um Pornographie, sondern um die Propagierung der Frauenliebe. Nicht PorNO, sondern ManNO sozusagen. Da käme ihr Andrea Dworkin mit ihrem „pornographischen Männerhaß“ gerade recht. Und trotz wiederholter Beteuerungen, es solle keiner in die Betten geschaut werden, ginge es eben doch um die „richtige“ Sexualpolitik. Lesbische Liebe als Programm. Wer da nicht mitzöge, würde exkommuniziert. Also nicht nur Kampf gegen Männer, sondern auch gegen die Mehrheit der Frauen. Was die Autorin allerdings übersehen hat: Die PorNO -Kampagne stößt gerade bei sehr vielen heterosexuellen Frauen auf große Zustimmung. Während unter Lesben zumindest was den Gesetzentwurf betrifft - weitaus größere Zurückhaltung zu herrschen scheint.

Wie kommt's? Haben die Heterofrauen einfach noch nicht gespannt, daß ihnen die Schwarzer den Spaß am Schwanz hinterrücks und hundsgemein verleiden will? Oder ist es nicht vielmehr so, daß die Kampagne einen willkommenen Anlaß bietet, den aufgestauten Haß gegen die Typen rauszulassen. Wie anders ließe sich sonst erklären, daß Frauen zuhauf durch die Lande ziehen, um „den Pornographen eine zu kleben“. Tatsächlich geht es weniger um Pornos. Viele Frauen haben - das wird auch in einigen Beiträgen hier deutlich von diesem Genre sehr wenig Ahnung. Es geht um den alltäglichen Sexismus, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Beziehung.

Um Haß auf Männer und ihre Allmacht, die Welt mit ihren Bildern zu definieren, geht es auch bei der österreichischen Schriftstellerin Karin Rick. Aber die Männerphantasien haben auch die Köpfe der Frauen kolonialisiert. Die Autorin selbst imaginiert zum Zwecke der eigenen Lust „ekelerregende Szenen“ und beschreibt sie. Schreiben - beinahe zwanghaft als „formulierter Haß gegen das, was sich zwischen Frauen und Männer abspielt“, als Durchbruch zwischen verschiedenen Realitäten. Lust bereitet aber nicht nur die eigene (phantasierte) Unterwerfung, sondern auch der voyeuristische Blick auf den lächerlichen männlichen Akteur.

Mit der „Inszenierung von Sexualität“ beschäftigt sich auch die Videofilmerin Ulrike Zimmermann. Sie hat sich auf dem Pornomarkt umgesehen und schildert, was es dort gibt. Auch sie hat festgetellt, daß sich eine Menge Frauen von trivialen, sexistischen Produktionen anturnen lassen, und beschreibt, wie frau sie lustbringend einsetzen kann. Ihr besonderes Interesse gilt allerdings den erotischen (pornographischen) Produktionen von Frauen, von denen es leider immer noch viel zu wenige gibt. „Andere Bilder braucht die Frau, andere Bilder macht die Frau!“

Diese Forderung - wie sie von einer feministischen Tischrunde in Hamburg aufgestellt wird - ist der rote Faden in diesem Buch. Oder aber: „Wie wär's mit 'ner Kampagne?! Für Pornos von Frauen!“

Claudia Gehrke (Hrsg.): Frauen und Pornographie, Konkursbuch -Verlag, Tübingen 1988, DM 14,80.