Reise in bessere Zukunft verhindert Kripo stoppte die Ausreise von 269 AsylbewerberInnen nach Kanada / Angeblicher Menschenschmuggel war für viele die letzte, teuer bezahlte Hoffnung / Angst vor Abschiebung nach Friedensabkommen nimmt zu

Reise in bessere Zukunft verhindert

Kripo stoppte die Ausreise von 269 AsylbewerberInnen nach

Kanada / Angeblicher Menschenschmuggel war für viele die

letzte, teuer bezahlte Hoffnung / Angst vor Abschiebung nach „Friedensabkommen“ nimmt zu

von Vera Gaserow

Berlin (taz) - In einer gemeinsamen Aktion haben die niedersächsische und die Hamburger Polizei in der Nacht zum Samstag 269 überwiegend tamilische Asylsuchende an einer Ausreise nach Kanada gehindert. Die Flüchtlinge, darunter auch 53 Kinder, waren aus verschiedenen Teilen der Bundesrepublik in ein leerstehendes Hotel in Hittfeld bei Hamburg gekommen und wollten am nächsten Tag mit dem Getreideschiff „Lupa“ heimlich nach Kanada reisen. Bis zu 6.000 Mark hatten die Flüchtlinge meist schon im vorhinein für die Fahrt bezahlt. Viele hatten jahrelang dafür gespart, „schwarz“ unter menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet oder Freunde und Verwandte angepumpt. Die 269 Asylsuchenden wurden von der Polizei aus dem Hotel geholt, in eine Turnhalle verfrachtet und schließlich vom Roten Kreuz an ihre Wohnorte zurückgebracht.

Hinter dem, was am Wochenende von den Medien als „Menschenschmuggel“ gehandelt wurde, verbergen sich menschlichen Tragödien, die nicht von irgendwelchen Hintermännern ausgelöst wurden, sondern von der bundesdeutschen Asylpolitik. Seit gut fünf Monaten wußten tamilische Flüchtlinge, daß bald ein Schiff nach Kanada starten würde, das immer noch als relativ liberales Asylland gilt. Auf dieses Schiff konzentrierten sich die Hoffnungen der Flüchtlinge, unter denen in den letzten Monaten die Panik vor einer Abschiebung gewachsen ist. Denn nach dem Abschluß des „Friedensabkommens“ in Sri Lanka haben nicht nur Großbritannien, Norwegen und die Schweiz Tamilen zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt. Auch in der BRD mehren sich die Gerichtsurteile, die mit Hinweis auf die „veränderte Situation“ in Sri Lanka bestreiten, daß es dort eine politische Verfolgung von Tamilen gibt. In der vergangenen Woche trafen sich in Oslo Regierungsvertreter verschiedener europäischer Staaten und Kanadas, um ihr Vorgehen gegen tamilische Flüchtlinge zu koordinieren. Darüberhinaus sind es speziell in der Bundesrepublik die Lebensbedingungen, die die Flüchtlinge auf eine bessere Zukunft in Kanada hoffen lassen. „Hier gelten die Menschenrechte nur auf dem Papier, wir sind so frustriert, wir nehmen jeden Strohhalm“, schilderte einer der Flüchtlinge die Gründe für die nun vereitelte Ausreise.

Juristisch gesehen haben die Asylsuchenden kaum Sanktionen zu befürchten, denn sie haben bestenfalls eine Ordnungswidrigkeit begangen, weil sie unerlaubt ihren eng begrenzten Aufenthaltsort verlassen haben. Auch den mutmaßlichen Organisator der Fahrt, einen 38jährigen in Hamburg lebenden Tamilen, wird die Justiz ebensowenig belangen können wie den Hamburger Kapitän der „Lupa“.