Radikale Pluralität auf Hochglanz

■ Brainstorming für eine neue professionelle Frauenzeitschrift: In Berlin trafen sich über 100 Macherinnen lokaler Frauenzeitschriften

Radikale Pluralität auf Hochglanz

Brainstorming für eine neue professionelle

Frauenzeitschrift: In Berlin trafen sich über 100

Macherinnen lokaler Frauenzeitschriften

Professionell soll sie sein. Pluralistisch, aber radikal; feministisch, aber undogmatisch - eben „ganz anders als die 'Emma'“. Darüber waren sich die meisten einig. Gegenstand der Diskussion: das Konzept einer neuen überregionalen Frauenzeitung. Anlaß: das Frauenzeitungstreffen'88 im Frauenkulturzentrum „Schokofabrik“ in Berlin. Rund 100 Vertreterinnen von über 20 regionalen und lokalen Frauenzeitungen waren der Einladung der Berliner Frauenzeitung 'Primadonna‘ gefolgt.

Die zukünftige, ganz andere Zeitung war auf dem zweitägigen Treffen bald Mittelpunkt lebhafter Diskussionen. Denn nicht nur die „Primadonnen“, in deren Redaktion das Konzept ausgeklügelt worden ist, sondern auch Zeitungsmacherinnen von Hamburg bis Stuttgart, von Saarbrücken bis Bielefeld vermissen seit dem Dahinscheiden der 'Courage‘ immer mehr eine „Alternative zu 'Emma'“.

Frau träumt von einer gut gestylten Monatszeitschrift mit überregionalem Mantel und verschiedenen Lokalteilen. Gemacht werden soll das Blatt von einer bezahlten Hauptredaktion und mehreren Lokalredaktionen, unterstützt von einem Stab „fester freier“ und „freier“ Mitarbeiterinnen. „Ähnlich wie bei der taz“, die zwar mehrfach als frauenfeindlich und als basisdemokratisch fragwürdig kritisiert wurde, mangels Alternative als Modell aber doch herhalten mußte.

Auflage und Produktionskosten wurden über den Daumen gepeilt. Von einer Anfangsauflage von 60.000 bis 80.000 war die Rede und von einem Startkapital von 400.000 Mark. Nach dem Motto: Nicht kleckern, klotzen! Denn einige lokale Zeitungsmacherinnen sind das „Klein-klein“ ihrer Blätter (Auflagen zwischen 300 und 5.000) leid, daß zwar viel Arbeit, aber kein Geld einbringt. „Mehr Professionalität“ hieß daher in erster Linie bezahlte Arbeitsplätze. Aber es ging den Zeitungsfrauen auch um „mehr Macht, mehr Einfluß, mehr Verantwortung“ oder, wie eine Vertreterin des 'Frankfurter Frauenblattes‘ meinte: „Wir brauchen eine feministische Stimme mit viel Einfluß, die nicht nur Themen aus anderen Medien aufgreift, sondern selbst was in Gang bringt.“ Wer das alles bezahlen soll, darüber wurde wenig geredet. Vielleicht kommt die Ökobank als Kreditgeberin in Frage oder die Grünen-nahe „Frauenanstiftung“.

Die Idee weckte Begeisterung. Doch inhaltliche und konzeptuelle Fragen blieben zwangsläufig unausgegoren, Standpunkte unvermittelt.

Was bedeutet pluralistisch, radikal, feministisch? Die einen wollten mehr Nähe zu aktuellen Diskussionen innerhalb der Bewegung, den anderen verlangte es mehr nach einem neuen Theorieforum. Heißt Professionalität, sprich: Kommerzialisierung, nicht Anpassung an den Medienmarkt? Wie können radikalfeministische Inhalte an einen breiteren Leserinnenkreis gebracht werden, ohne zu verwässern? Wo sollen die zukünftigen Leserinnen überhaupt gesucht werden? Eine Profi-Journalistin wußte aus Erfahrung, daß auch Frauen außerhalb der Bewegung für fast alle Themen zu interessieren seien, wenn sie nur entsprechend präsentiert würden. Aber wenn es sich um „anschlagsrelevante“ Themen handele und die Zeitung nur noch unter dem Ladentisch ginge, werde sie sicher von keiner Brigitte-Leserin mehr gekauft, konterte eine andere.

Und was war mit Pluralismus gemeint? Ein Themenspektrum von der „Roten Zora“ bis zum „Müttermanifest“ und/oder kontroverse Meinungen innerhalb des Blattes anstatt eines Brainstorming war angesagt. Über konkrete Positionen und Inhalte zu streiten sei noch zu früh, meinten Dritte, und empfahlen bis zum nächsten Mal die gegenseitige Lektüre ihrer jeweiligen Blätter. „Damit wir uns besser kennenlernen.“

Was aber passiert mit den jetzigen Lokalzeitungen, wenn es die neue einst geben sollte? Übernehmen sie die Lokalredaktion, gehen sie kaputt, oder können sie sich auf dem Markt halten? Darüber gingen die Einschätzungen sehr auseinander. Auch Angst um die bisherigen redaktionellen Strukturen wurde laut, wenn erst einmal der Kampf um die wenigen bezahlten Arbeitsplätze losginge. Das bisherige Modell berge zuwenig Garantien für Basisdemokratie. In welchem Verhältnis sollen Kern- und Lokalredaktionen stehen? Wer wird letztlich bestimmen, was ins Blatt kommt? Solche Kritik kam nicht gut an. Zu „negativ“ und „mutlos“, hieß es. Es sei mal wieder typisch für Frauen, daß sie Angst vor großen Projekten, letztlich vor der Macht hätten. Gegen den Mißbrauch müßten eben „Sicherungen“ ins Organisationsmodell eingebaut werden. An Vorschlägen genannt wurden: Rotation der Kernredaktion und Wahl der festangestellten Mitarbeiterinnen.

Im Oktober soll die Diskussion in Frankfurt weitergehen, bis dahin sind die interessierten Lokalzeitungen aufgefordert, selbst über ein Konzept nachzudenken. Auf der abschließenden Pressekonferenz fragte eine Kollegin nach dem Namen des neuen Blatts. Aber dafür war es noch viel zu früh. In meiner Nähe raunte eine, offensichtlich inspiriert von den Anagrammen in der 'Primadonna‘: 'AMME‘.Ulrike Helwerth