: Wie man Olympionike wird
■ BRD - Rumänien 3:0 / Eine Fußballmannschaft in 3-D / Der NOK-Chef plaudert
Wie man Olympionike wird
BRD - Rumänien 3:0 / Eine Fußballmannschaft in 3-D / Der NOK -Chef plaudert
Dortmund (taz) - Als NOK-Chef Willi Daume in der Pressekonferenz nach dem Spiel das Wort erhielt, lehnte er sich zurück, schaute strahlend ins Leere und begann zu erzählen. Es sei ein glücklicher Tag für das gesamte Olympiateam, daß sich die Fußballer für Seoul qualifiziert hätten, denn Fußball sei doch immer noch der Deutschen liebste Sportart, und selbst Handballer, Fechter oder Leichtathleten würden in ihrer Freizeit immmer gerne Fußball spielen.
Zudem brauche man bei Olympischen Spielen inzwischen eine, ja so sei das nun mal, professionelle Einstellung, und die hätten doch die Fußball-Olympioniken unter Beweis gestellt. Dies und so manches andere mehr plauderte Willi Daume daher, während die ersten Journalisten den Raum verließen und andere ungerührt ihre Spielberichte ins Telefon brüllten. Bis Olympia-Trainer Hannes Löhr diesen Monolog entschlossen mit einem kräftigen Händedruck beendete.
Zeit genug über die bizzarste Auswahl nachzudenken, die der deutsche Fußball vorzuweisen hat. Bei diesem statutengeborenen Sonderling darf jeder mitspielen, der bisher noch nicht an einem WM-Qualifikationsspiel oder gar an einer WM-Endrunde teilgenommen hat. Nach dem Amateurstatus fragt dagegen längst niemand mehr. Diese Regelung soll einfach verhindern, daß das Olympische Turnier zu einer Konkurrenz der Weltmeisterschaft wird.
Folglich liefen auch sechs Kandidaten des aktuellen WM -Kaders über den Rasen des Westfalenstadions, um den für die Seoul-Qualifikation notwendigen Sieg nun wirklich zu sichern. Und vor allem, was dieses Team im Offensivspiel zu bieten hatte, war Fußball von der unterhaltsamsten Sorte.
Wolfram Wuttke war der Spielmacher, der er sonst häufig nur nominell ist. Klinsmann und vor allem Manschaftskapitän Mill, dessentwegen das Spiel in „seine“ Stadt vergeben wurde, waren ständig gefährlich. Und auch die beiden Kölner Häßler und Görtz, der als Außenverteidiger fast einen klassischen Linksaußen spielte, waren in brillianter Form.
Alles in allem spielte die Mannschaft Fußball, wie man ihn sehen will: nach vorne, über die Flügel, mit flotten Kombinationen im Mittelfeld. Frank Mill, der schon vor vier Jahren in Los Angeles dabei war und seinen Mitspielern das „bunte Völkergemisch“ bei Olympia in den schillernsten Bildern zu schildern wußte, jubelte im vorhinein gar über ein revolutionäres Spielsystem: „Wir spielen das 3-D-System. - Dran, drauf, drin!“
Solcher Überschwang hat das Team im Laufe seiner Qualifikationsspiele gegen Polen, Dänemark und Griechenland zu heimlichen Lieblingen der Fußballfans gemacht - 25.000 kamen in Dortmund. Gerührt von der guten Leistung konnten sich die Fans auf der Südtribüne sogar gelegentlich zu politisch korrekt formulierten Anfeuerungen durchringen: „Heja 'heja, B-R-D.“ Da konnte man auch nachsehen, daß die Abwehr selbst gegen die harmlosen Rumänen nicht immer ganz im Bilde war.
Dieser Mannschaft merkt man auch in schwächeren Momenten an, daß ihr das Fußballspielen einfach Spaß macht. Und gerade da könnte der Gegensatz zur „richtigen“ Nationalmannschaft nicht größer sein. Traurig über den Erfolg des Olympiateams dürften eigentlich nur die Vereine sein, die dafür Spieler abstellen. Denn während die Olympioniken im September in Seoul spielen, läuft die Bundesligasaison ohne sie weiter.Christoph Biermann
BRD: Köpke - Sauer - Alois Reinhardt (62.Zorc), Wolfgang Funkel - Häßler, Borowka, Fach, Wuttke, Görtz - Klinsmnn, Mill
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