Zaghafte Rückkehr zum Beiruter Alltag

■ Nach dem Einmarsch der Syrer in die Vororte Beiruts beginnen Bewohner und Parteien, die Kriegsschäden zu beheben / Geflüchtete Bewohner kehren nur zögernd zurück, denn sie haben noch kein Vertrauen in

Zaghafte Rückkehr zum Beiruter Alltag

Nach dem Einmarsch der Syrer in die Vororte Beiruts beginnen Bewohner und Parteien, die Kriegsschäden zu beheben /

Geflüchtete Bewohner kehren nur zögernd zurück, denn sie

haben noch kein Vertrauen in die politische Stabilität

Aus Beirut Petra Groll

Ein Bulldozer dröhnt schwerfällig über den Mittelstreifen der Hauptzufahrtsstraße nach „Dahiyeh“, die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt. Seit am letzten Freitag die ersten Soldaten syrischer Elite-Einheiten, unterstützt von einer Truppe libanesischer Sicherheitskräfte in die ca. 25 qkm großen Slumgebiete im Südosten Beiruts einrückten, um 22 Tage blutiger Auseinandersetzung zwischen der pro-iranischen Hizbollah und der pro-syrischen Schiitenbewegung Amal zu beenden, haben Bewohner wie Parteien alle Hände voll zu tun, die Kriegsschäden zu beheben. V.a. in Ghobeyrieh und Chiyah, den Bezirken, wo sich Amal am längsten halten konnte, haben die Kämpfe schlimme Verwüstungen zurückgelassen.

Der Bulldozer schiebt ausgebrannte Autowracks, zerstörte Möbelstücke und Sandbarrikaden zur Seite. Ein riesiges Plakat mit dem Emblem der Hizbollah prangt auf seiner Rückseite. Die Männer, die mit Atemschutztüchern vor Mund und Nase und mit Schaufeln bewaffnet den wochenalten Hausmüll zusammenkehren, tragen ebenfalls die Kluft des Hizbollah-Zivilschutzes. Vor knapp einer Woche noch haben diese Männer in Ghobeyirieh hart gekämpft, ganz Dahiyeh in eine Geisterstadt verwandelt. Heute rufen sie die ca. 6 -800.000 Bewohner der Vororte zur Rückkehr in ihre Wohnungen auf. „Hizbollah werde nicht zulassen“, heißt es in einem öffentlichen Statement, „daß irgend jemand wegen seiner politischen Bindungen Schaden nimmt.“ Hizbollah ist dringend um eine Normalisierung der Lage in Dahyieh und speziell der Beziehungen zur Schiitenbewegung Amal bemüht.

Neben dem libanesischen Innenministerium hat auch die Teheranerführung den Bewohnern Dahyiehs Hilfe beim Wiederaufbau zugesagt. „Doch bislang“, sagt Abu Jamal, ein Gebrauchtwagenhändler, hat sich hier noch niemand sehen lassen, der Hilfe zugesagt oder sich überhaupt um irgendetwas gekümmert hätte.“

Abu Jamal hat die Reste von allen Geschossen, die in Haus und Hof einschlugen, auf der Motorhaube eines Autos aufgereiht. Genau zwischen zwei Wagen explodierte eine Granate. Die Karosserien kann er bestenfalls noch als Siebe weiter verkaufen. Seine Frau räumt in der verwüsteten Wohnung auf. Sämtliche Fensterscheiben sind hin, das Dach wurde durchschlagen und in der Wand des Salons klafft ein riesiges Loch. Abu Jamal und die Seinen sind eine der wenigen Familien, die nach Dahiyeh zurückgekehrt sind. Zwar versuchen auch die syrischen Truppen geradezu verblüffendes „low profile“ zu zeigen, sind ausgesprochen höflich. An den zahlreichen Checkpoints, die die jetzt auf 4.800 Mann an fast allen strategisch wichtigen Kreuzungen ausgebaut haben, bestehen sie nur äußerst selten auf Auskünften von Passanten und kontrollieren keinesfalls, was in Kofferräumen und Lieferwagen transportiert wird. Doch haben die geflüchteten Bewohner noch kein Vertrauen in die Stabilität der politischen Situation gewonnen.

Von der normalen Geschäftigkeit der Handwerkerviertel ist nichts zu bemerken. Geradezu einsam nehmen sich zwei Frauen in bodenlangen schwarzen Tschadors aus, die mit prall gefüllten Einkaufstaschen den letzten syrischen Checkpoint vor „hayeh-maadi“ passieren. Sie gehen ins „Hizbollah -Quartier“, einen kleinen Straßenzug an der „grünen“ Demarkationslinie zwischen West- und Ostbeirut, in den sich die pro-iranische Miliz nach dem Einmarsch der syrischen Truppen mit ihren Waffen zurückziehen durften. Hier und da sieht man Rohre schwerer Geschütze hinter Sandwällen aufragen, Uniformierte, bewaffnete Männer hocken im Schatten.

Das gut bewachte Zentrum Hayeh-Maadis bildet ein unvollendeter Rohbau, der mehrere Kelleretagen haben soll. Hierhin, so behaupten nachhaltig „besonders gut informierte Quellen“, hätten sich nicht nur Hunderte von iranischen Revolutionswächtern zurückgezogen, die während des schiitisch-schiitischen Krieges politisch und militärisch die Führung der Hizbollah übernommen hatten. Hierher sollen die Kidnapper ausländischer Geiseln in Libanon auch ihre kostbare menschliche Ware verfrachtet haben. Die offizielle Erklärung, weshalb die syrischen Truppen diesen Bezirk nicht okupiert haben, lautet, sowohl Hizbollah als auch Amal sollten weiterhin Gelegenheit haben, gegen die „zionistischen Agenten“ im von der christlich-maronitischen Phalange beherrschten Ostbeirut zu kämpfen. Bis auf gut 30 Meter haben sich die syrischen Soldaten in den vergangenen vier Tagen an diesen Stronghold der Hizbollah herangearbeitet. Der wachhabende Soldat blinzelt scheinbar verschlafen in der Mittagssonne und winkt uns mit einer laschen Geste durch den Checkpoint.