Sauberes Raster

■ Den Irren ihre Kinder oder Alles nur eine Frage des Geldes

K O M M E N T A R Sauberes Raster

Den Irren ihre Kinder oder Alles nur eine Frage des Geldes

Ein Kind wird geboren. In einem Neuköllner Wochenblatt erscheint ein Foto der Mutter mit dem noch faltigen Gör im Arm. Alles ganz normal und doch völlig daneben. Die Mutter ist eine geistig behinderte Frau und damit nicht „normal“ genug, um ihr Kind großziehen zu dürfen. „Gefährdet“ sehen es der Richter und das Neuköllner Jugendamt und entscheiden, es sei in einer fremden - wahrscheinlich normalen - Familie besser aufgehoben.

Da drängen sich düstere Bilder von Vater, Mutter, Kind auf, von Vierzimmerwohnung und VW, Arbeitsplatz und Bausparvertrag. Die andere Familie, die behinderte Frau mit ihrem Mann und ihrem Kind fallen durch dieses Raster sauberer deutscher Vorstellungen glatt durch. Die Unangreifbarkeit der Familie hört bei denen auf, gegen die wir alle uns so gerne abgrenzen, bei den Irren. „Was die wohl mit ihren Kindern machen?! Die müssen doch auch eine Macke kriegen! Also heiraten können die ja, aber müssen die denn Kinder bekommen...?“ Dabei ist das alles - menschlich betrachtet - nur eine Frage des Geldes: Die behinderte Frau, die ihr Kind so liebt wie eben eine Mutter und es behalten will, bräuchte eine teure BetreuerIn. Das Sozialamt müßte Geld rausrücken für einen Heimplatz, wo die Frau mit Kind und Mann leben könnte.

Woran es allein fehlt, ist der politisch-moralische Wille. Berlin, die Stadt in der jeder verrückt spielen darf, hat keinen menschlichen Platz für seine Irren.Brigitte Fehrle