Schnippeln keine Sachbeschädigung Da die Behörden die Bürger mit Volkszählungsbögen überhäuft haben, kann Schnippeln nicht als Sachbeschädigung geahndet werden / Bögen hatten nicht den Charakter eines amtlichen Unikats

Schnippeln keine Sachbeschädigung

Da die Behörden die Bürger mit Volkszählungsbögen überhäuft haben, kann Schnippeln nicht als Sachbeschädigung geahndet werden / Bögen hatten nicht den Charakter eines amtlichen

Unikats

Berlin (taz) - Weil die Volkszählungserhebungsstellen Millionen von BürgerIinnen gleich mehrfach Zählbögen ins Haus geschickt haben, kann das Herausschnippeln der Bogennummer keine Sachbeschädigung sein. Denn weil die Bögen doppelt und dreifach versandt wurden, hatten sie nicht mehr den Charakter eines amtlichen Unikates. Mit dieser Begründung hat am Dienstag das Münchner Landgericht sechs Mitglieder der Ingolstädter Volkszählungsinitiatiative von dem Vorwurf des Aufrufs zur Sachbeschädigung freigesprochen.

In der ersten Instanz waren die sechs Vobos nur freigesprochen worden, weil das Amtsgericht ihnen einen „Verbotsirrtum“ zugute gehalten hatte, zu deutsch: Im Prinzip sei der Aufruf zum Bogenschnippeln zwar strafbar, aber die Angeklagten hätten das nicht wissen können, zumal sie vorher noch einen Anwalt zu Rate gezogen hätten.

In der Berufungsverhandlung ging das Landgericht jetzt einen Schritt weiter. Nachdem mehrere als Zeugen geladene hohe Beamte des Statistischen Landesamtes bestätigt hatten, daß zahllose Bürger immer wieder mit neuen Erhebungsbögen bedacht worden waren, sahen die Richter den Tatbestand der Sachbeschädigung als nicht mehr gegeben. Die Behörden seien offenbar selbst davon ausgegangen, daß die zu Zählenden einen Teil ihrer Bögen fortgeworfen, verbrannt oder verbummelt hätten, ohne deswegen Strafanzeige zu stellen. So wichtig schien den Statistikbehörden das unausgefüllte Formular gar nicht zu sein.

Wenn außerdem der Bogen kein Unikat war, sei die Zerschnippelung eines solchen Papiers auch keine Sachbeschädigung. Selbst wenn die Zählungsunwilligen ein zerschnippeltes Exemplar - wie auf dem Flugblatt vorgeschlagen - einer Vobo-Initiative übergeben hätten, hätten sie immer noch einige unbeschädigte Bögen für die Erhebungsstelle übrig gehabt. (AZ 8 Ns 11 Js 12804/87).Ve