Freiheit für Umweltexzesse

Freiheit für Umweltexzesse

Wien (taz) - Am Mittwoch nachmittag endete der erste große österreichische Umweltprozeß mit einem Freispruch. Neun Mitarbeiter der Chemie-Linz-AG haten sich wegen fahrlässiger Gefährdung der Umwelt in Linz vor Gericht zu verantworten. Am 10. und 11. Juni 1986 waren nach einem Defekt in der Schwefelsäureanlage der verstaatlichten Chemie-Linz - dem größten Chemiekonzern Österreichs - die gesetzlichen Grenzwerte für Schwefeldioxyd um bis zu 857 Prozent überschritten worden. Die Bevölkerung litt an schweren Atembeschwerden.

Neben fünf Werk- bzw. Schichtmeistern saßen vier Manager des Konzerns auf der Anklagebank. Letztere waren verantwortlich dafür, daß es keine Bestimmungen für den Notfall gab und die Anlage, nachdem sie kurzfristig am 10. Juli abgestellt worden war, ohne Reparatur am 11. Juli wieder in Betrieb genommen wurde. Das Verfahren endete mit einem überraschenden Freispruch. Der Grund dafür ist eine Lücke im österreichischen Gesetz. Wie der Richter ausführte, gibt es keine eindeutigen Richtwerte für Gesundheitsschädigung durch Schadstoffe. Österreichs Grüne bezeichneten das Urteil als „gerichtlichen Freibrief für weitere Umweltexzesse“.Oliver Lehmann