Rauh, aber herzlich

■ Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Rauh, aber herzlich

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

„Wenn einer heute zum Drehen rausfährt, kann er ja die Mieze da mitnehmen.“ Ein Daumen weist in meine Richtung. Mit lahmer Stimme höre ich mich antworten: „Na hören Sie mal.“ Jetzt bloß nicht die Fassung verlieren. Der Ton ist hier (in der Redaktion einer angesehen Nachrichtensendung einer süddeutschen Rundfunkanstalt) eben rauh, aber herzlich. Der Chef persönlich sorgt für ein prima Arbeitsklima. Mit Frotzeleien gegen alles und alle, vorzugsweise gegen Frauen. Mit den Worten: „Und was hat die da zu erzählen“, begrüßt er die neue Praktikantin am ersten Tag in der Runde. Eine Kollegin unterhält sich mit einem Kollegen: Er sitzt, sie steht vornübergebeugt. Der Chef: „Mensch M., bück‘ dich doch noch mal, ich konnte dir gerade bis runter gucken.“ Eine andere sucht etwas in einem hochgelegenen Schrankfach, er: „Raufsteigen darfst du überall, bloß nicht im Minirock.“

„Einfach ignorieren.“ Ein verständnisvoller Kollege hat beobachtet, wie der Neuen die Gesichtszüge entgleist sind und nimmt sie freundschaftlich zur Seite, um sie aufzuklären. Der Chef sei eben eine „schillernde Persönlichkeit“. Es habe keinen Sinn, einen so alten Mann noch umerziehen zu wollen. Außerdem bräuchte ich das ganze nicht persönlich zu nehmen, „der Chef ist nämlich schwul“.

Die anderen Frauen in der Redaktion haben sich schließlich auch an den herrschenden Ton gewöhnt - und schweigen. Bis ein besoffener Tontechniker eine Redakteurin beim Drehtermin so anmacht, daß sie sich weigert, noch mal mit ihm rauszufahren. Das belebt den Redaktionstratsch, grinsend springt ein Kollege für sie ein.

30 Kamerateams und keine einzige Frau darunter, Teamgeist ist angesagt. Da kann es auch vorkommen, daß ein Kameramann ganz beiläufig seine Backe an die der Redakteurin legt, als er sie freundlicherweise mal durch die Kamera gucken läßt. Sie wird ein bißchen rot und nimmt's hin. Frage der Praktikantin an einen Kollegen: „Kannst du mich heute zum Drehen mitnehmen?“ Antwort: „Ja, wenn du brav bist.“ Mittagspause: Zwei Redakteure räkeln sich in der Sonne. Der erste: „Man sollte mittags öfter mal ein Nickerchen machen.“ Der andere: „Dann kämen auch die Thailänderinnen weg von der Straße.“

Eine Meldung ist eingegangen, daß die SPD die Quotierung in der Partei anstrebt. Kommentar eines Kollegen sinngemäß: Gute Nacht SPD, wenn da der „Schrott“ in die oberen Ränge gelangt. Donnerstags fiebert die Redaktion überm neuesten 'Zeit'-Kreuzworträtsel. Denksport für Intellektuelle. Der Chef: „Nutte auf spanisch? Nutella!„Ulrike Helwerth