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Nur eine Jugendsünde?

■ Als der jetzige Innensenator noch linksalternative Ansichten zur Ausländerpolitik vertrat

Ein relativ unbedeutender Staatsrechtslehrer namens Wilhelm A. Kewenig suchte sich im Oktober 1973 in Mannheim während einer Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer mit einer erstaunlich radikalen Argumentation zu profilieren. Es ging um die Frage, ob ein kommunales Wahlrecht für Ausländer verfassungsrechtlich ausgeschlossen sei oder nicht. Wohlgemerkt - es gab damals weder die Forderung nach einem Wahlrecht für Ausländer noch die Grünen. In Reaktion auf die ultra-konservativen Thesen seines Vorredners befand Kewenig zunächst einmal, daß es sich bei den Ausländern nicht um klassische „Fremde“, die sich nur kurz im Lande aufhalten, handelt, sondern um „Minderheiten“, die Teile der Gesellschaft ausmachen. Laut Kewenig gäbe es „keinen Rechtssatz“, also auch keinen mit Verfassungsrang, „nach dem Ausländer vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden müssen“. Vielmehr sollte man sich fragen, ob nicht „demokratische Mitwirkungsrechte ... selbstverständlich immer auch eine grundrechtliche Komponente“ hätten. Ein „effektiver Grundrechtsschutz“ für alle Bewohner Deutschlands sei, so der heutige Innensenator, „geradezu abhängig“ von „einer Berücksichtigung der Interessen der Ausländer in den Gemeindevertretungen“. „Eine solche Berücksichtigung“ sei aber „nur gesichert, wenn die Ausländer auch wahlberechtigt sind.“

E.K.

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