Neue 'Radikal‘ kritisiert Radikale

 ■ AUFGEBLÄTTERT

Die MacherInnen geben sich bescheiden: „Die Zeitung hat derzeit keinen hohen Gebrauchswert.“ Tatsächlich bietet die

-trotz umfangreicher Repressionsmaßnahmen gerade in der BRD - neueste 'Radikal‘ (Nr. 134, zwei Teile) eine Menge bemerkenswerten Lesestoff. Die halbjährige Erscheinungsweise hat dazu geführt, daß weniger BekennerInnenschreiben und Bastelanweisungen als in den alten 'Radikal‘ abgedruckt werden. Dafür werden ausgiebig sonst kaum zugängliche, oft grundsätzliche Diskussionstexte abgedruckt.

Glanzstück der neuen Doppelausgabe ist im Rahmen des Schwerpunkts über autonome Kiezpolitik und „Kübel“ in Kreuzberg der Abdruck eines sechs Seiten langen „Interviews nach einer geplanten Entführungsaktion“. In dem Text wird über die Schwierigkeiten gesprochen, einen denunziatorisch berichtenden SFB-Redakteur zu entführen - vor allem aber werden die politischen Vorarbeiten und die Intention dieser Aktion ausführlich diskutiert. Ausgehend davon, daß die politische Macht der Medien in den aktuellen Auseinandersetzungen erheblich unterschätzt wird, hatte die in der 'Radikal‘ auftretende Gruppe geplant, ein Verhör mit dem zu entführenden Reporter über seine Berichterstattung durchzuführen und zu filmen. Abgeblasen wurde die Entführung, „als wir merkten, daß wir viel Zeit für Diskussionen und für das Erlangen von technischen Voraussetzungen brauchen, und die Aktion in der gesetzten Zeitspanne deshalb nur oberflächlich und riskant zu machen ist“. Die bereits aufgeworfenen Fragen über das Verhältnis von Strategie und Taktik und die Kritik an leichtfertiger Wahl gefährlicher Mittel „aus Bequemlichkeit“ wurden aber auch nach Abbruch der Aktion am Fall weiterdiskutiert.

Erheblichen Raum im Kreuzberg-Schwerpunktteil nimmt auch die Detail- und Grundsatzkritik der 'Radikal‘ an der taz ein: „Die taz hat sich für uns zu einem Zentrum der Macht entwickelt, zum Verbindungs- und Vermittlungsorgan zwischen Herrschaft und emanzipierter Basis.“ Auch Zielsetzung und weiterer Weg des eigenen Zeitungsprojekts ist aber Gegenstand einiger Artikel: Auch die 'Radikal‘ will ihren Teil „zur Aufhebung der Isolierung der radikalen Linken“ beitragen. Andererseits sollen unterdrückte Nachrichten vermeldet und schwerpunktmäßig „die eigenen Kämpfe ... solidarisch kritisiert und auf Perspektive hinterfragt werden“.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, enthält die 'Radikal‘ Nr. 134 eine umfangreiche Kritik an der Anti-Carp -Demonstration, bei der „trotz veränderter Bedingungen am alten Konzept festgehalten (wurde), ohne die neuen Faktoren einzubeziehen“. Und ein Beitrag zur Situation der Anti -Startbahn-Szene komplettiert den ersten Teil der 'Radikal‘. Außerdem enthält er ein dreiseitiges Papier „zur Spitzeldiskussion in Berlin“, das im Zusammenhang mit der „Verräter„-Diskussion im 'Rhein-Main-Info 3‘ interessant zu lesen ist. Im zweiten Teil sind Internationalismus-, speziell IWF-Artikel, und „27 Thesen zum Sinn militanter Aktionen (ökonomische Analyse)“ versammelt.

Nach wie vor ist die 'Radikal‘ im regulären Zeitschriftenhandel nicht erhältlich. Neue Bezugsadresse ist: WOZ, Postfach, CH-8042 Zürich. „Wenn Ihr uns erreichen wollt, müßt Ihr in jedem Fall zwei Briefumschläge verwenden: den ersten mit Post und Kohle beschriftet Ihr mit Z.K. Dieser verschlossene Umschlag wandert in den zweiten, offiziellen, mit der WOZ-Adresse. Besser ist es auf jeden Fall, Briefe aus dem Ausland abzuschicken.“ Die 'Radikal‘ kostet fünf Mark (plus Porto).

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