Komischer Doktor mit Reiselust

■ Ausstellung von und über den Australienforscher Erhard Eylmann in Bremen-Schönebeck / Von der Medizin zur „Eingeborenenforschung“

Am Rande des Blumenthaler Friedhofes, dort, wo Grabbegrenzungen aus Beton die marmornen Einfriedungen abgelöst haben, liegt die Grabstelle E 30. Ein Schild nach Art eines Autokennzeichens - schwarze Schrift auf weißem Grund - zeigt die Nummer an. Zwei mickrig-gelbe Immergrüns und ein Büschel Heide wachsen auf E 30. Kein Grabstein verrät, wer hier seine letzte Ruhe gefunden hat. Es ist das Grab von Erhard Eylmann, Doktor der Philosophie und der Medizin, Sohn aus begütertem Hause und Australienforscher. Er war im Dezember 1926 als einsamer Mann in Farge gestorben und am Nachmittag vor Heiligabend auf dem Friedhof der Martin-Luther-Gemeinde beerdigt worden. Zur Erinnerung an den Weitgereisten zeigt das Heimatmuseum Schloß Schönebeck ab Samstag seine Sammlung, die das Leben der australischen UreinwohnerInnen um die Jahrhundertwende dokumentiert.

Bis zu seinem 30. Lebensjahr konnte der Bauernsohn von der Elbinsel Krautsand dem Studium nachgehen, denn mit dem Hof und einer Ziegelei verdienten die Eltern gutes Geld. Frisch verheiratet zogen er und seine Frau Berta Maria Ruh anschließend nach Ägypten, wo er als Arzt arbeitete. Drei Jahre später starb seine Frau, er hatte ihr offenbar nicht helfen können. Seitdem hat Eylmann nie mehr als Arzt gearbeitet. Nach weiteren Studien der Geographie, Geologie und Völkerkunde in Berlin machte sich Erhard Eylmann nach Australien auf - alleine, auf eigene Kosten, mit der Absicht, „die auffälligsten der rätselhaften Erscheinungen im Leben des Eingeborenen auf ihre Zusammenhänge und Ursachen zu untersuchen.“ Drei Reisen unternahm er zwischen 1896 und 1913. Bei der längsten war er dreieinhalb Jahre unterwegs und durchquerte den Kontinent zweimal. Es war kein Spazierritt durch Australiens Steppe

unter sengender Sonne. „Mehr als einmal sah ich mich gezwungen“, schrieb Eylmann, „an Brunnen und kleinen waterholes zu übernachten, deren Wasser durch Tierkot, Leichen kleiner Beuteltiere und Vögel so verunreinigt war, daß es als Brechmittel hätte dienen können.“ Mit Hilfe weißer Farmer und Missionare bekam Eylmann Kontakt zu Gruppen von Aborigines, die als Nomaden durchs Land zogen. Eifrig zählte, zeichnete und notierte der doppelte Doktor: Eingeborenen-Köpfe und Eingeborenen-Brüste, Lufttemperaturen und Totenzeremonien, Krankheiten und Klebemittel.

Eylmann läßt bisweilen Wertschätzung für die Objekte seiner Beobachtung erkennen, doch nicht selten geht der victorianische Moralist mit ihm durch. „Manche junge Frau verriet durch ihr Mienenspiel, ihre Blicke und ihre Körperhaltung“, schrieb er über einen zeremoniellen Tanz, „daß die sinnliche Erregung Gewalt über sie gewonnen hatte, und mancher Mann zeigte durch seine unanständigen, Bocksprüngen gleichenden Be

wegungen, wie sehr ihn der widerwärtigste aller Triebe beherrschte.“ In der Frauenfrage war Eylmann dagegen durchaus auf dem Stand eines Teiles der heutigen Männerbewegung: „Bei ihr ist der Hang zur Trägheit nicht gering; außerdem fehlt es ihr an ausharrender Geduld und erforderlicher Geschicklichkeit: das Weib scheint von der Natur ja nur zum Gebären und Aufziehen von Kindern bestimmt zu sein.“

Der erste Weltkrieg und die Wirtschaftskrise brachten den Erben um große Teile seines Vermögens. Mit über 60 Jahren mußte er sich bei der Baumwollkämmerei in Blumenthal verdingen, bis er nicht mehr konnte. Bevor er eine letzte Veröfentlichung über seine Reisen fertigstellen konnte, starb der in seiner Nachbarschaft als „komischer Doktor“ bekannte Erhard Eylmann mit 66 Jahren.

Gaby Mayr

Die Ausstellung ist vom 25.6. - 14.8. dienstags, mittwochs, sonnabends von 15 - 17 Uhr, sonntags außerden von 10 - 12.30 Uhr im Heimatmuseum in Bremen-Schönebeck, Im Dorfe 3-5 zu sehen.