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West-Berlins Polizei bringt DDR-Grenzer zum Heulen

Polizei ging mit rund 1.000 Tränengaspatronen gegen die Bewohner des besetzten Lenne-Dreiecks an der Mauer zu Ost-Berlin vor / Mehrere Verletzte / DDR-Grenzpolizei protestiert gegen Beschuß des noch zur DDR gehörenden Geländes / TV-Film belegt Steinwürfe von Polizisten  ■  Aus Berlin Hans-Martin Tillack

Mit rund eintausend Tränengaspatronen hat die West-Berliner Polizei am Montagabend die etwa 200 Bewohner des besetzten Lenne-Dreieckes beschossen und auch DDR-Grenzer zum Heulen gebracht. Ein Besetzer-Sprecher sprach von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“.

Insgesamt zweieinhalb Stunden lang beschossen die Polizeitruppen das Hüttendorf mit Gaspatronen. Anfangs drei, dann vier Wasserwerfer bestrichen das Dorf. Von dort flogen Steine, Mollies, Stahlkugeln und Feuerwerkskörper auf die Polizei-Truppen, allerdings in weit geringerem Umfang als an den Vortagen.

Erneut protestierten die DDR-Grenzpolizisten mehrfach mit Lautsprecherdurchsagen gegen den Beschuß des Geländes, das bis zu dem geplanten Gebietsaustausch zwischen West- und Ost -Berlin immer noch zur DDR gehört. Der Westwind trieb ständig Gasschwaden über die Mauer. Das 'Neue Deuschland‘ berichtete gestern unter der Überschrift „Unmenschlicher Polizeiterror“ über den Einsatz am Lenne-Dreieck. Vor einer offiziellen Protestnote wegen der Übergriffe auf ihr Territorium schreckt die DDR jedoch offenbar zurück, um den geplanten Gebietsaustausch mit dem Berliner Senat nicht zu gefährden.

Festnahmen gab es am Montagabend nicht. Die Besetzer zählten in ihren Reihen jedoch zahlreiche Prellungen, Augenverletzungen und Platzwunden. Mindestens drei Schwerverletzte mußten im Krankenhaus behandelt werden, darunter eine Frau, der eine Gaspatrone eine offene Wunde an der Schulter zugefügt hatte. Die neun Beamten, die nach Polizeiangaben Prellungen erlitten, konnten ihren „Dienst“ vor Ort unvermindert fortsetzen. Fortsetzung Seite 2

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