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„Weiche“ Quotierung für die ÖTV

Gewerkschaftstag beschloß Sollvorschrift zur Vertretung der Frauen in allen Gremien gemäß ihrer Mitgliederstärke / Wahl des CDU-Vertreters für den ÖTV-Vorstand auf heute verschoben  ■  Aus Hamburg Martin Kempe

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat auf ihrem 11.Gewerkschaftstag in Hamburg eine Quotierung beschlossen. Entgegen der ursprünglichen Empfehlung der Antragskommission erhoben die mehr als 650 DelegiertInnen zum Beschluß: „Frauen sollen in allen gewerkschaftlichen Organen und Gremien der Organisation mindestens entsprechend ihrer Mitgliederstärke im jeweiligen Bereich vertreten sein.“ Die bestehenden Wahlordnungen sollen bis spätestens 1991 entsprechend geändert werden. Auch die Position der Bundesfrauensekretärin der ÖTV wurde verstärkt. Sie wird in Zukunft von der Bundesfrauenkonferenz der ÖTV gewählt und erst dann vom Gewerkschaftstag bestätigt. Damit ist sie stärker in den Frauenbereich der Gewerkschaft eingebunden und unabhängiger vom geschäftsführenden Hauptvorstand.

Der Quotierungsbeschluß der ÖTV ist der erste innerhalb einer Mitgliedsgewerkschaft des DGB. Von den 1,2 Millionen ÖTV-MitgliederInnen sind derzeit 31,8 Prozent Frauen - mit steigender Tendenz. Bei den in der ÖTV organisierten Angestellten liegt der Frauenanteil mittlerweile bei 49,9 Prozent. Aber die Repräsentanz der Frauen in den ÖTV-Gremien hinkt deutlich diesem Trend hinterher. Nur knapp 20 Prozent der 689 DelegiertInnen auf dem Hamburger Kongreß sind Frauen. Im neuen ÖTV-Vorstand wird es auch nach der Besetzung der auf heute vertagten Wahl des CDU-Vertreters neben der Vorsitzenden Wulf-Mathies lediglich eine weitere Frau geben.

Mit der beschlossenen Satzungsänderung hat die Gewerkschaft allerdings eine „weiche“ Quotierung beschlossen, denn es handelt sich um eine Sollvorschrift, also eine Zielvorgabe. Entscheidend dafür, wie schnell die Quotierung tatsächlich greift, wird die bis 1991 geforderte Änderung der Wahlordnungen sein. Weil die Quotierung nicht nur für die Organisation insgesamt, sondern auch für die einzelnen Bereiche der Gewerkschaft mit ihrer sehr unterschiedlichen Mitgliederstruktur gilt, wird das, was bisher in allen DGB -Gewerkschaften üblich war, in der ÖTV in absehbarer Zukunft nicht mehr möglich sein: daß die Frauenbereiche von männlichen Funktionären repräsentiert werden.

Im Konflikt um die Wahl eines CDU-Mitglieds in den geschäftsführenden Hauptvorstand der ÖTV zeichnete sich am Mittwoch noch keine Lösung ab. Führende Funktionäre der Christlichen Arbeitnehmer wie der Berliner Sozialsenator Ulf Fink sprachen nach der am Dienstag gescheiterten Wahl des CDA-Kandidaten Constantin von einer Bedrohung der Einheitsgewerkschaft. Auf der anderen Seite ging am Mittwoch die fieberhafte Suche nach einem Unionskandidaten weiter, der sowohl von den CDA als auch von den DelegiertInnen des ÖTV-Gewerkschaftstages getragen werden soll. Die 700 Delegierten stimmten gestern einem Vorschlag von Wulf -Mathies zu und verwiesen einen Antrag aus Frankfurt mit großer Mehrheit als Material an den Hauptvorstand, der für mehr Bürgerservice und eine vorsichtige Öffnung für andere oder längere Dienstzeiten bis spätestens 18.30 Uhr plädierte.

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