Aufgestauter Unmut -betr.: "Mittelamerika-Solidaritäts-Bewegung tagt", taz vom 20.6.88, S.5

betr.: „Mittelamerika-Solidaritäts-Bewegung tagt“, taz vom 20.6.88, Seite 5

Der Ausschluß des taz-Redakteurs Thomas Schmid vom Bundestreffen der Mittelamerikasolibewegung in Westberlin war falsch - dennoch macht er deutlich, wieviel Unmut sich in der Bewegung über das Agieren der taz aufgestaut hat. (...)

Bei diesem Vorgang wurde wieder einmal deutlich, daß die taz nicht die Zeitung einer (noch existierenden) radikalen Linken in der BRD ist, und auch nicht die Zeitung der real existierenden sozialen und politischen „Bewegungen“. Die taz spiegelt natürlich auch ein Stück Realität insofern wieder, als sie Ausdruck der Schwäche dieser Bewegungen und der radikalen Linken ist - der Trend steht nunmal auf rotgrün, realogrün, etc., da hat natürlich umgedreht die taz auch wieder viel mit zu tun, da sie diese Schwäche auch selbst mit herbeischreibt.

Gerade deshalb sollte mensch die taz behandeln wie jede andere (bürgerliche) Zeitung auch, das heißt, mensch sollte selbstverständlich die taz mit Infos beliefern - ein Ausschluß von Journalisten aus m.o.w. öffentlichen Treffen verbietet sich wegen des Eigeninteresses der Solibewegung, nach außen zu wirken, von selbst.

Sicherlich, die Tendenz auch der Mittelamerikaberichterstattung (unter anderem der KorrespondentInnen vor Ort) ist nicht zu übersehen: Immer mehr geht die taz auf Distanz zum revolutinären, sandinistischen Nicaragua, unter anderem deren Führung der FSLN und ebenfalls von der Guerilla in El Salvador - dort wird als scheinbare Alternative eine „Dritte Kraft“, die Massenbewegungen und legal agierende Opposition zur FMLN herbeigeschrieben, die so alternativ ja nicht stehen.

Damit sind wir auch bei einem traurigen taz-Kapitel angelangt: die stiefmütterliche Behandlung des Spendenkontos „Waffen für El Salvador“. Da die Propagierung dieses Kontos in der taz de facto schon lange eingeschlafen ist, haben sich VertreterInnen von El Salvador Komitees an die taz gewandt, um diesbezüglich eine neue politische Offensive zu starten. Ein TrägerInnenkreis aus verschiedenen Dritte-Welt -Zeitschriften, Solikomitees und Promis sollte gebildet werden - 'Konkret‘ und 'Arbeiterkampf‘ hatten zugesagt, die Einrichtung und Publizierung des gemeinsamen Kontos zu unterstützen, welches auch von diesem TrägerInnenkreis verwaltet werden sollte. Die taz hätte nach wie vor dabei sein können/sollen. Dieser Plan, auf dem letzten Pfingstplenum der taz vorgelegt, wurde in dieser Form abgelehnt. Deshalb hat jetzt das Bundestreffen der Mittelamerikakomitees beschlossen, die taz nochmals definitiv aufzufordern, das Waffenkonto an die Solibewegung zurückzugeben.

Schade, daß Thomas Schmid darüber genausowenig berichten konnte, wie darüber, daß die Mittelamerikakomitees beschlossen haben, nach Kräften für die Herbstaktionen gegen IWF und Weltbank (Gegenkongreß, Demo, Aktionstage) im September nach Westberlin zu mobiliseren. Es wäre zumindest spannend gewesen, wie die Berichterstattung darüber ausgesehen hätte.

Hans Hunglinger, Lateinamerikakomitee Nürberg