Bourj-el-Brajneh unter Beschuß

Nach dem Fall von Chatila greifen jetzt die pro-syrischen Anhänger Abu Moussas das Palästinenserlager im Süden Beiruts an / Der größte Teil der Bewohner hat das Lager verlassen  ■  Aus Beirut Petra Groll

Mit der Morgendämmerung hat Montag um fünf Uhr Ortszeit die 'Endschlacht‘ zwischen den Anhängern von PLO-Chef Arafat und den Gefolgsleuten Abu Moussas um das Palästinenserlager Bourj-el-Brajneh am südlichen Stadtrand von Beirut begonnen. Von Ihren Positionen in nächster Umgebung des Camps und in den Shoufbergen südöstlich Beiruts nahmen die Truppen des Abu Moussa das Lager unter Beschuß.

Der Gefechtslärm mittlerer und schwerer Artillerie schallte über die ganze Hauptstadt. Die Polizei sprach am Vormittag von zwei Toten und 47 Verletzten.

Mehr als zwei Drittel der 17.000 Bewohner Bourjs hatten zuvor den Evakuierungs-Waffenstillstand genutzt, um aus Bourj zu flüchten oder ihr Hab und Gut aus dem Camp zu retten, dem sie ein ähnliches Schicksal wie Chatila prophezeiten. „Es gibt keinen Platz für Arafat in Beirut“, erklärte denn auch Abu Moussa Mitte letzter Woche. „Arafat hat Chatila verlassen und befindet sich auf dem Weg aus Bourj-el-Brajneh.“ Es werde auch in Saida keine Zukunft für Arafat geben, ließ Abu Moussa wissen.

In Ain-el-Helwueh und Miyeh-Miyeh, zwei Camps nahe der südlibanesischen Hafenstadt Saida, leben mehr als 100.000 Palästinenser. Wie aus den Äußerungen Abu Moussas deutlich wird, geht es ihm längst nicht mehr um politische Koexistenz in den Lagern im Libanon. In einer am Sonntag abend, also vor Ausbruch der Gefechte, am politischen Hauptquartier der PLO in Tunis veröffentlichten Erklärung greift die PLO -Führung Abu Moussa und die syrische Armee an: Sie wollten die militante Präsenz der PLO in Libanon vernichten.

Die Truppen des Abu Moussa und die syrische Armee hielten Bourj belagert, hieß es in der Erklärung, die syrische Armee sei sowohl an der Lebensmittelblockade wie auch an der militärischen Bedrohung des Camps beteiligt. Die syrische Armee hält seit Frühjahr vergangenen Jahres die großen Achsen rund um Bourj besetzt.

Direkte militärische Beteiligung syrischer Truppen an Blockade und Bombardements ließ sich am Montag morgen bei einer Besichtigung der Frontlinie außerhalb Bourj-el -Brajnehs nicht feststellen.

Es genügt jedoch schon die Feststellung, daß die Truppen des Abu Moussa von syrisch kontrolliertem Gebiet ungehindert gegen Bourj-el-Brajneh vorgehen, sowie die Tatsache, daß sie von Syrien militärisch ausgerüstet werden, um die Rolle des syrischen Regimes in diesem 'neuen Lagerkrieg‘ zu beleuchten.