: Bremer Student wurde Diplomat
■ Neuer diplomatischer Vertreter für die Sahrauis in der Westsahara / Ali Brahim bleibt auch bei den neuen Kontakten zwischen Marokko und Algerien optimistisch
„Zur Kenntnisnahme von Ali Brahim“ kam kürzlich in Bonn ein Telex an: Erklärung des Algerischen Präsidenten Chalid Bendjedid über die Bedeutung der neu aufgenommenen diplomatischen Beziehungen Algerien-Marokko.
Mohammed Ahmed (kurz: „Ali“) Brahim ist unter politisch interessierten Bremern kein Unbekannter. Einige Jahre studierte er an der Bremer Universität Chemie und organisierte nebenher Sympathie und praktische Hilfe für sein aus der Westsahara von den marokkanischen Truppen vertriebenes Volk der Sahrauis. Da in den algerischen Flüchtlingslagern Chemiker weniger, für die sahrauische Diplomatie das politische Geschick Brahims aber um so mehr benötigt wird, ging er nicht „zurück“, sondern wurde vor einigen Monaten zum „Vertreter der Frente Polisario in der Bundesrepublik Deutschland“ in Bonn. Offiziell ist die an einem geheimen Ort in der Westsahara ausgerufene Republik nicht diplomatisch anerkannt von der Bundesrepublik, mit dem Vertreter der Befreiungsbewegung aber hält das offizielle Bonn Kontakte. Die Bremer Unterstützung für die Sahrauis nennt Ali Brahim „sehr mutig“, denn Bremen hat damit zu einer recht frühen Zeit begonnen, als das weder in westlichen Staaten noch bei der Organisation für die Afrikanische Einheit (OAU) selbstverständlich war. In Bremen wird nach wie vor für die Ausrüstung von Berufsschulen gesammelt, es gibt Entwicklungshilfeprojekte, in bremischen Krankenhäusern werden einige Kinder aus den Flüchtlingslagern behandelt, denen in Algerien nicht geholfen werden kann.
Die große Mehrzahl, ca. 170.000 der Sahrauis, haben sich in die Flüchtlingslager auf algerischem Territirium zurückgezogen, wo sie in verschiedenen Städten die administrativen Strukturen improvisieren, die sie einmal in ihrem Heimatgebiet praktizieren wollen - wenn die marokkanischen Truppen und Siedlungen wieder vertrieben sind. Wie das passieren könnte, scheint derzeit kaum vorstellbar. Den „Krieg“, den die sahrauische Frente in der Wüste gegen die 2400 Kilometer lange Front aus Stein-und Sand-Wällen führt, die die marokkanische Armee aufgebaut hat, nennt Brahim einen „Abnutzungskrieg“. Dem konservativen Königreich solle klar gemacht werden, daß der Krieg zu teuer ist - auf diplomatische Lösungen und nicht auf einen militärischen Sieg setzen die Sahrauis.
Um so brisanter mußte die Meldung für sie sein, daß Algerien die seit 1976 abgebrochen diplomatischen Beziehungen wieder angeknüpft hat. Daß diese Annäherung auf Kosten des Volkes der Sahrauis gehen könnte, fürchtet Brahim derweil nicht: „Für uns kann das nur positiv sein.“ Das Zitat des algerischen Präsidenten umschreibt das Problem mit den allerschönsten Floskeln. Er erwartet von den Kontakten gute Nachbarschaft und Kooperation auf der Ebene des Mahgreb (Nordwestafrika), eine Stärkung der arabischen Welt und einen ermutigenden Schritt auf dem Weg nach einer gerechten und entscheidenden Lösung des Konfliktes, der die Westsahara den Brüdern des Königreiches Marokko entgegensetzt und nach der „Demokratischen Arabischen Republik Westsahara.“ Ali Brahim ist Diplomat genug, in dieser Formel alle Ziele seines Volkes wiederzufinden.
K.W.
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