Mexiko: Kein Ergebnis, zwei Sieger

Bereits vor Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses der Präsidentschaftswahlen in Mexiko halten sich die beiden Hauptkontrahenten für die Sieger / Oppositionsparteien starteten Protestkampagne  ■  Von Gunther Aschemann

Mexiko-Stadt (taz) - Auch drei Tage nach dem Urnengang zu den Präsidentschaftswahlen in Mexiko am vergangenen Mittwoch dauerte die Ungewißheit über das Ergebnis an - allerdings ließen sich zwei der Kandidaten bereits als Sieger feiern. Der Kandidat der seit fast sechs Jahrzehnten herrschenden „Institutionellen Revolutionspartei“ (PRI), Carlos Salinas de Gortari, und sein Konkurrent vom linksoppositionellen Parteienbündnis „National-Demokratische Front“ (FDN), Cuauhtemoc Cardenas, erklärten sich beide zum Gewinner. Nach der Verfassung mußte der Bundeswahlausschuß spätestens am gestrigen Sonntag das amtliche Endergebnis bekanntmachen.

Mit einer Kundgebung der konservativen „Nationalen Aktionspartei“ (PAN) hat die Opposition derweil ihre angekündigte „Kampagne zivilen Ungehorsams“ gegen das nach ihrer Meinung gefälschte Ergebnis der Wahlen gestartet. Vor über 100.000 Sympathisanten, die sich am Samstag im Zentrum der Hauptstadt versammelt hatten, forderte der Präsidentschaftskandidat der PAN, Manuel Clouthier, die für den Betrug verantwortlichen „Wahlverbrecher“ zu verhaften und vor Gericht zu stellen.

Am Freitag hatte die Bundeswahlkommission Teilergebnisse der Wahlen vom vergangenen Mittwoch bekanntgegeben. Auf der Basis von 6,7 Millionen ausgezählter Stimmen von insgesamt 38,7 Millionen stimmberechtigten Wählern verteilen sich die Anteile folgendermaßen: Salinas de Gortari (PRI) 48 Prozent, Cuauthemoc Cardenas (FDN) 27 Prozent, Manuel Clouthier (PAN) 19 Prozent.

Diese Zahlen stehen in starkem Kontrast zu jenen, die die Opposition aufgrund ihrer eigenen internen Rechnung veröffentlicht. Nach Angaben der FDN liegt ihr Kandidat Cardenas mit 40,2 Prozent an der Spitze, gefolgt von Salinas de Gortari mit 26,8 und Clouthier mit 26,6 Prozent. Es ist zu erkennen, daß die offiziellen Daten auf einer Auswahl von Wahlbezirken beruhen, in denen die PRI traditionell starke Wählerschichten hat. Sie enthalten keine Ergebnisse etwa aus der Stadt Mexiko oder aus Bundesstaaten wie Michoacan, Morelos und anderen, in denen die Cardenisten nach ihren eigenen Berechnungen absolute Mehrheiten erreichen werden.

Die Staatspartei PRI, die in der Wahlkommission die Stimmenmehrheit hat, monopolisiert den Zugang zum Wahl -Rechenzentrum. Die Parteien der Fortsetzung auf Seite 2

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Opposition werden mit jeweils einem Monitor abgespeist, über die willkürlich ausgewählte Einzelergebnisse laufen. Der Zugriff auf den Speicher der Anlage des zentralen Wahlcomputers ist ihnen verwehrt.

Manuel Clouthier erklärte vor Vertretern der Presse, daß Leute seiner Partei, die im Computerzentrum beschäftigt waren, hinausgeworfen wurden, nachdem sie am Wahltag selbst noch entdeckt hatten, daß der Computer schon Resultate zu einem Zeitpunkt ausgab, als die Wahlen noch in vollem Gange waren. Am selben Abend gab das Innenministerium den Zusammenbruch der Rechenanlage bekannt.