„Wir werden den Sieg den Volkes verteidigen“

Cuauhtemoc Cardenas, linksliberaler Oppositionskandidat, über sein Programm und einen möglichen Regierungswechsel  ■ I N T E R V I E W

taz: Was würde in dem nicht unwahrscheinlichen Fall passieren, daß Ihnen die PRI den Wahlsieg, den Sie errungen zu haben glauben, aberkennt?

Cuauhtemoc Cardenas: Wir werden alle gesetzlichen Instanzen ausschöpfen, um den Sieg des Volkes zu verteidigen. Ich glaube, ich besitze die Macht, die ein authentischer Volksentscheid verleiht, und mit dieser moralischen Kraft werden wir uns durchsetzen. Daran zweifle ich nicht.

Wenn Sie also der nächste Präsident wären, würden Sie dann in Ihre Regierung nur Leute aufnehmen, die ihre Kandidatur unterstützt haben, oder auch Angehörige der anderen Parteien oder sogar der PRI?

Natürlich würde mein Arbeitsteam in erster Linie aus Leuten bestehen, die das politische Programm unterstützt haben, für das sich das Volk durch seine Stimme ausgesprochen hat. Aber es müßte auch ein Team sein, das die Pluralität der politischen Kräfte anerkennt. Es müßte und wird diese Kräfte auch in die Regierung aufnehmen.

Wollen Sie also zum ursprünglichen Konzept der PRI zurückkehren, das Ihr Vater vor mehr als einem halben Jahrhundert entworfen hat?

Es geht jetzt nicht darum, die Vergangenheit wiederzubeleben, sondern darum, daß sich die Volksbewegung in einer der aktuellen Situation entsprechenden Weise organisiert. Die PRI entstand 1946 aus der Partido de la Revolution Mexicana, die mein Vater acht Jahre zuvor gegründet hatte. Diese Partei hatte damals ein Grundsatzprogramm, das unseren heutigen Vorstellungen viel mehr entspricht als denen der PRI. Wir glauben, daß es wichtig ist, den Weg der mexikanischen Revolution weiterzugehen und ihre Ziele und Vorgehensweisen zu aktualisieren. Aber in keinem Augenblick denken wir daran, diese oder irgendeine andere Organisation wiederzubeleben.

Unter den Parteien, die ihre Kandidatur unterstützt haben, gibt es auch einige sozialistische Parteien. Fühlen Sie sich als Sozialist oder Sozialdemokrat?

Es ist unsere Pflicht, die Versprechungen unseres gemeinsamen Wahlprogramms zu erfüllen, das ich als demokratisch und nationalistisch bezeichnen möchte. Ich persönlich identifiziere mich mit den fortschrittlichsten Kräften der mexikanischen Revolution.

Glauben Sie, daß sich diese Revolution einmal zum Sozialismus bekennen könnte?

Die mexikanische Revolution ist unterbrochen worden, d.h. sie hat ihre grundsätzlichen Zielsetzungen wie das allgemeine Wahlrecht, die Gleichheit in der Gesellschaft und die Lösung der Klassenprobleme nicht erreicht. Eine Revolution, die diese sozialen Unterschiede zu beseitigen sucht, kann sich aber nur innerhalb einer Nation bewegen, die ihre Souveränität voll ausübt.

Wenn man sich hier in Mexiko umsieht, begegnet man auf Schritt und Tritt Institutionen, die von der PRI beherrscht sind. Glauben Sie, daß Sie ohne diese Institutionen regieren können?

Wir sind gegen jedes strenge korporative System, wie es das gegenwärtige ist. Andererseits muß man sich vorstellen, was diese Partei ohne öffentliche Finanzierung wäre. Ich glaube, sie wäre gar nichts.

Unter diesen von der PRI beherrschten Institutionen befindet sich aber auch die mexikanische Armee. Was wäre Ihre Reaktion, wenn die Armee in die Politik eingriffe?

Ich erwarte von der Armee, daß sie sich beteiligt, indem sie die Legalität verteidigt. Wir haben größtes Vertrauen in die Armee.

Noch eine letzte Frage: Wenn Sie Präsident wären, was wäre die erste Maßnahme Ihrer Regierung?

Es gibt viele Maßnahmen, die eine Regierung gleich am Anfang setzen müßte. Zweifellos wäre aber darunter die Korrektur der Wirtschaftspolitik eine der wichtigsten Maßnahmen.

Interview: Leo Gabriel