Abgeordneter Wahlbetrüger

■ Kurt Vajen, Landtagsabgeordneter der CDU, wurde wegen Wahlfälschung verurteilt Vajen will Zünglein an der niedersächsischen Regierungswaage bleiben

Der Landtagsabgeordneter der niedersächsischen CDU, Kurt Vajen, ist ein wichtiger Mann. Denn ohne den 52jährigen Landwirt aus Brockel im Landkreis Rothenburg hätte die skandalgeschlagene CDU-Regierung in Hannover keine Mehrheit mehr im niedersächsischen Landtag. Denn die CDU/FDP -Koalition verfügt lediglich über eine Stimme mehr als SPD und Grüne.

Kurt Vajen ist seit Dienstag aber auch ein juristisch erheblich vorbelasteter Mann. Denn das Landgericht in Verden hat den Multifunktionär vom platten Land in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe von insgesamt 18.000 Mark verurteilt. Die fünfte Strafkammer hatte zwei Delikte zu beurteilen, die bei einem Politiker nicht gerade alltäglich sind: Widerstand gegen die Staatsgewalt und Wahlfälschung.

Zum ersten Vorwurf: Vor zwei Jahren war der Politiker nächtens einer Polizeistreife durch unorthodoxe Fahrweise aufgefallen. Vajen hatte versucht, sich der Überprüfung zu entziehen und sich in einem Schuppen verkrochen. Als die Polizisten ihn dort fanden, wehrte er sich tätlich und drohte den Beamten Konsequenzen an: Schließlich sei er ein einflußreicher Mann, der sich so et

was nicht bieten lassen müsse. Mußte er aber doch und wurde so zwei seiner Ämter als stellvertretender Landrat und Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion los. Bürgermeister der Samtgemeinde Bothel aber blieb er.

Und als solcher zeigte er auch ungeheuren Einsatz für seine Wiederwahl, was ihm Punkt zwei der Anklage einbrachte: Vor den Kommunalwahlen im Oktober 1985 machte er sich mindestens zweimal auf illegitimen Stimmenfang. Der Parlamentarier überredete einen Großvater und einen Vater, die Briefwahlunterlagen für den abwesenden Enkel beziehungsweise Sohn auszufüllen. Vajen, so hielt es jetzt das Gericht für erwiesen, habe den beiden erklärt, es sei erlaubt, für Familienangehörige mitzustimmen und sie dann noch animiert, die Richtigkeit der Stimmangabe mit gefälschter Unterschrift zu beurkunden. Aufgedeckt wurde das ganze von einer Freien Wählergemeinschaft, die bei der Prüfung der Wahlunterlagen feststellte, daß die beiden angeblichen Wähler zur Zeit der Wahl gar nicht vor Ort waren.

Diese unübliche Art und Weise, für die eigene Wiederwahl zu sorgen, wurde jetzt als Urkundenfälschung, Wahlfälschung und Ver

anlassung falscher eidesstatt licher Versicherung gewertet. Eine Revision des Urteils ist allerdings möglich.

Es soll schon Politiker gegeben haben, bei denen alleine eine Trunkenheitsfahrt zum Rücktritt führte. Bei Vajen ist das nicht zu erwarten. Nicht einmal sein Bürgermeisteramt hat er bislang zur Verfügung gestellt, und ein Druckmittel, um in zur Aufgabe seines Landtagsmandates zu zwingen, hat die CDU-Fraktion in Hannover nicht, es sei denn, die Partei würde den Wahlfälscher ausschließen. Dagegen aber hat Vajen ein überzeugendes Argument: Als vorbestraftes Zünglein an der Waage könnte er die Regierungskoaliton gleich in die nächste Verlegenheit stürzen.

Und so gab sich der Pressesprecher der CDU-Fraktion, Gerholz, nach seinen eigenen Worten „ausgesprochen zurückhaltend“. Zwar sei der Vorgang „wenig schön“, aber immerhin sei eine Revision ja zugelassen worden. Daß Vajen sein Mandat als Druckmittel gegen die Partei verwendet und so die Regierungskoalition gefährdet, kann Gerholz sich aber nicht vorstellen. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Josef Stock, sei zu erfahren im menschlichen Umgang, als

daß es zu so einer Eskalation kommen könne.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Wernstadt, hat dagegen Bedenken, ob ein Verbleib Vajens der politischen Moral bekommt. „Ein Abgeordneter dieses Kalibers ist als Volksvertreter untragbar“, sagte er gestern und forderte die CDU auf, sich von Vajen trennen. Der Koalitonspartner FDP hält sich derweil bedeckt und erklärt die politische Moral in diesem Fall zur inneren Angelegenheit der CDU.

Vajen selbst sieht keinerlei Veranlassung, sich von seinen Ämtern zu trennen. Er sei von zahlreichen Parteifreunden dazu ermuntert worden, Bürgermeister in Bothel zu bleiben, und das Landtagsmandat habe mit dem Vorfall sowieso nicht zu tun, versuchte er gestern abend politische Moral in eine kommunale und eine Landesebene trennen. Und überhaupt die Moral: „Diejenigen, die jetzt am lautstärksten von poltischer Moral reden, verstoßen selbst mit Füßen gegen die Werte und Normen unserer Gesellschaft.“ Kurt Vajen wird in die Revision gehen und sein Landtagsmandat behalten, denn Kurt Vajen ist ein ungemein wichtiger Mann.

hbk