DER PHILOSOPH

■ Rudolf Thome dreht einen neuen Film

„Reizend, ganz reizend.“ Die Stimme Herrn Thomes könnte bei der ersten Kontaktaufnahme kaum ironischer klingen. Nach der harschen taz-Kritik an seinem letzten Film noch ziemlich vergrätzt, wundert er sich über das Interesse eben dieses Blattes zu seinem neuen Film „Der Philosoph“. Ich bin zwar unschuldig an dem Verriß, hege aber doch die Vorahnung, für alle taz-Sünden der Vergangenheit an den Pranger gestellt zu werden und begebe mich mit einem mulmigen Gefühl im Magen zum Drehort, einer Fabriketage in der Luckauer Straße in der hintersten Ecke von SO36.

Die Begrüßung ist freundlich, kein Wort gilt der Vergangenheit, alle Aufmerksamkeit ist dem neuen Film gewidmet. „Der Philosoph“ ist eine Komödie und zweiter Teil eines Zyklus über „Formen der Liebe“. Wer dabei an Eric Rohmer denkt, liegt sicherlich nicht ganz falsch, auch wenn der Name im Gespräch nicht fällt. Zu befürchten ist eine ähnliche Dialoglastigkeit oder auch Geschwätzigkeit wie in den Filmen des Franzosen.

Waren es im „Mikroskop“ noch ein Mann und zwei Frauen, so gerät hier die Titelfigur, die jahrelang wie ein Eremit gelebt hat, in die Gesellschaft von gleich drei jungen Frauen, die ihm erklären, „Göttinnen“ zu sein. Herr Thome versichert allerdings glaubhaft, das Prinzip, einem Mann mehrere Frauen gegenüber zu stellen, in seinen kommenden Filmen nicht bis ins Unendliche steigern zu wollen.

Da Rudolf Thome die Möglichkeiten der Low-Budget-Produktion ausprobieren möchte, arbeitet er freiwillig mit niedrigem Etat. Das Drehbuch hat er selbst verfaßt, am Drehort selbst sieht man weder Schienen noch Dolly für Kamerafahrten. Bei den Vorbereitungen für die zu drehende Szene packt jeder mit an, der Tontechniker dunkelt den Raum ab, den Regisseur kann man beim Transport eines im Wege stehenden Keyboards beobachten. Die Umbauzeiten für eine zweiminütige Szene sind länger als der fertige Film einmal dauern wird. Nachdem das Essen für die Szene gekocht und serviert ist, kann es endlich losgehen: Ton und Kamera laufen, die umstehenden Unbeteiligten wagen es nicht mehr, die Nase zu rümpfen, und die Schauspieler beginnen ihr chinesisches Essen zu verzehren. Der etwas hölzern wirkende Philosoph (Johannes Herrschmann) hält eine Dankesrede, verheddert sich aber zum Schluß. Bei der Wiederholung der Einstellung stört ihn zwar eine Fliege, die unbedingt zum Film will, aber Material sparend spricht er seine Rede fehlerlos zu Ende. Anschließend wird die Reaktion der „Göttinnen“ aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen. Das dem Philosophen angetragene 'Du‘ verhindern zunächst einige Nachbarn mit einer laut aufgedrehten Hifianlage. Sie werden ruhiggestellt, das Essen wird noch einmal mit einer ordentlichen Portion Reis gestreckt und bald darauf ist die ganze Szene im Kasten.

In den Umbaupausen diskutiert Rudolf Thome häufig mit den Schauspielern. Im Gegensatz zu seinem letzten Film gibt es diesmal ein festgelegtes Drehbuch. Adriana Altaras, schon im „Mikroskop“ dabei und wie die anderen Absolventin der HdK, findet es dem Stoff angemessen, daß die Rolle durch das Drehbuch weitgehend vorgegeben ist und sie wenig Raum zur Improvisation hat. Rudolf Thome lobt die Darsteller in den höchsten Tönen, sie seien ein homogenes Team und er habe noch nie soviel Spaß bei der Zusammenarbeit mit Schauspielern gehabt. Den Kameramann läßt Thome selbständig arbeiten. Nach dem Tod seines langjährigen Mitarbeiters Martin Schäfer steht nun dessen Assistent Reinhold Vorschneider hinter der Kamera. Von Martin Schäfer unterscheidet er sich durch einen anderen Blick auf die Figuren und eine andere Lichtgebung. Für diese Produktionsbedingungen ist er nach Meinung Rudolf Thomes der optimale Mann. An diesem Drehtag ist die Kamera immer in Augenhöhe, entweder starr oder mit vertikalen Schwenks die Schauspieler begleitend. Etwas Statisches hat diese Kameraführung, ob sie im Verbund mit den vielen Dialogen heiter oder dröge wirkt, kann man wohl erst beurteilen, wenn das Endprodukt in die Kinos kommt.

Klaus-Peter Koch