Job-Contact '88 - ein Flop-Contact

Eine von großem publizistischem Aufwand begleitete Arbeitsbeschaffungsaktion für Jugendliche aus dem Hause Späth hat zwar viel Wirbel verursacht, doch kaum Jobs eingebracht: Von 1.200 angesprochenen Jugendlichen haben ganze 76 einen Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag angeboten bekommen  ■  Aus Mannheim Felix Kurz

„Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich, Sklavenhändler, ich tu alles für dich. Ich verkauf dir meine Hände, ich verkauf dir meinen Kopf, ich versprech dir, nicht viel zu denken, und ich schau nicht in deinen Topf. Für mich bist du der Engel, der uns Armen Arbeit gibt. Ohne dich wär ich verhungert, ich bin froh, daß es dich gibt“.

Der Text der Agitrockband Ton Steine Scherben Anfang der siebziger Jahre hat längst wieder Konjunktur. Auch im Musterländle Baden-Württemberg. Allein in Mannheim, dem Liverpool des Südweststaates, gibt es mehr als 3.500 vom Arbeisamt registrierte jugendliche Arbeitslose. Hinzu kommen noch diejenigen, die von Sozialhilfe leben und die, die bei keiner staatlichen Stelle mehr Ansprüche anmelden. Fast jeder 13.Einwohner lebt in der zweitgrößten Stadt Baden -Württembergs von der Sozialhilfe, genau 7,51Prozent.

Sein Image als „Cleverle“ pflegt Regierungschef Lothar Späth seit Jahren gezielt in den Medien. Der Christdemokrat mit Bonner Ambitionen hat allerdings noch einen weiteren Charakterzug. Der Mann wuselt und geschaftelt herum, immer gilt sein Bemühen, vornedran zu sein, überall hineinzustapfen. Dafür haben die Schwaben auch einen Namen, S'Dapferle.

Doch allein mit dem kessen Spruch auf den Lippen „laß das mal den Lothar machen“ und schon wird's was, klappt es nicht immer. Das beste Beispiel lieferte S'Dapferle Späth jetzt mit seiner Aktion Job-Contact '88 in Mannheim. Mehr als 1.200 Jobs und Ausbildungsstellen seien in Mannheim zu vergeben, ermittelten Späths Arbeitsmarktstrategen. Dennoch, so die grausame Wahrheit, gibt es dort auch 3.500 Arbeitslose zwischen 15 und 25 Jahren.

Späths einfache Rechnung: 3.500 Arbeitslose weniger 1.200 offene Stellen ergibt 2.300, also deutlich weniger Arbeitslose. Die Antwort des Ministerpräsidenten: Job -Contact, eine mit sehr viel publizistischen Aufwand und Wirbel begleitete Aktion, sollte die Jobs zu den Arbeitslosen und die Arbeitslosen zu den Jobs bringen.

Alle machten mit. Die Gewerkschaften, die Stadt Mannheim, das Arbeitsamt, die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer und die Träger der Freien Wohlfahrtspflege. Eine Woche (27.-30.6.) dauerte die Jagd auf die Köpfe der arbeitslosen Jugendlichen, mitvorbereitet durch eine locker flockige, bunte Broschüre (Titel: „Mit Job siehst du besser aus“), natürlich versehen mit dem Konterfei des Dapferle. Textkostprobe: „Manch angebotener Arbeitsplatz ist eine Superchance, nur auf den ersten Blick sieht man es nicht.“ Oder „Wie geht's ab? Ganz easy.“ Und für alle die, die es noch nicht begriffen hatten, fehlte nicht der Hinweis: „Nur wer weiß, wie ein Job, der gestern als unbequem galt, heute tatsächlich aussieht, hat den echten Durchblick.“

Deshalb bot die Lektüre „Jobs am Bau sind angesagt“ Tätigkeiten wie Eisenbieger, Betonschaler, Fuger oder Reiniger, an, und „eisenharte Jobs in Metallberufen haben Konjunktur“. Brigitte Trittmacher, die das Projekt für die Stadt Mannheim begleitete, vermißte bei der Broschüre vor allem, daß sie sich nicht an arbeitslose Mädchen und auch nicht an Ausländer wandte. Mit einem Pendelbus wurden dann die Jugendlichen, die man „fast mit einem Lasso einfangen mußte“ (ein Mitarbeiter), zum Arbeitsamt gebracht. Manch einer entwischte den Job-Contact-Jägern wieder, weil er an einer Kreuzung wieder aus dem Bus sprang. Dabei gab's Getränke und Mittagessen für jeden gratis. 20 Berufsberater waren täglich im Einsatz. Extra Telefonleitungen wurden gelegt. Auf einer Liste 1248 Jobs und Lehrstellen angeboten, ganz nebenbei ein Verstoß gegen das Arbeitsförderungsgesetz, daß nur dem Arbeitsamt gesetzlich die Job-Vermittlung zusteht.

Doch aus dem Job-Contact wurde ein Flop-Contact. Eine einzige Facharbeiter-Stelle wurde vermittelt, 42 Ausbildungs - und 33 Arbeitsverträge abgeschlossen und rund 1200 Jugendliche angesprochen. Für den Mannheimer Direktor des Arbeitsamtes, Rudo Friedrich ist das zuwenig, zumal die Aktion ein wesentliches Defizit hatte. Facharbeiterjobs wurden angeboten, doch die Jugendlichen, die arbeitslos sind, haben selten einen Grundschulabschluß. Arbeitsplatzangebote also für die falsche Klientel. Friedrichs Fazit zu der Aktion Job-Contact: „Gemessen an dem Ausfwand und im Vergleich zu dem, was das Arbeitsamt täglich leistet, war das sehr wenig.“

Tatsache ist jedoch, daß durch die Aktionswoche zumindest neue, dem Arbeitsamt bislang unbekannte Jobs, auftauchten, genau 649. Das freut auch den Arbeitsamtschef. Für den Hauptgeschäftsführer der Mannheimer Industrie und Handelskammer (IHK), Martin Scherer erklärt sich der neue Stellenboom daraus, daß „einige Betriebe schon mal erfolglos wie viele Jugendliche auch, versucht haben, ihre Stellen zu besetzen“. Rudo Friedrich vermutet dahinter jedoch ein politisches Kälkül. Der „Ruf aus Stuttgart“ habe die Betriebe zum Mitmachen animiert, und auch die jetzt bekanntgewordenen Jobs haben ihre Tücken. Lediglich 95 Helfer- und 88 Anlernstellen sind darunter. Stundenjobs, Firmen, die Leiharbeiter vermitteln, gehören dazu, und auch über Befristigungen der Stellen wurden oft keine Angaben gemacht, moniert Rudo Friedrich. Noch etwas anderes wurmt den Fachmann der Mannheimer Arbeitsverwaltung. „Wenn wir Stellen vermitteln wollen“, sagt er, „müssen wir wissen, was verdient der Mann, was soll er können, wie lange dauert der Job, usw.“ Bei der Aktion Job-Contact waren solch konkrete Angebote selten. Rudo Friedrich: „Wenn ein Betrieb sagt, wir können noch einen gebrauchen, heißt das erst mal gar nichts.“

Offziell sollen die Ergebnisse von Job-Contact erst Mitte September bekanntgegeben werden. Doch die Zahlen stehen heute schon fest. Einfachstarbeitsplätze gibt es nicht in ausreichender Zahl für die Jugendlichen, die keine oder nur eine sehr minimale Ausbildung erfahren haben. Martin Scherer von der IHK ist sogar der Überzeugung, daß es in Zukunft immer weniger Arbeitsplätze für minderqualifierte Jobsuchende geben wird. „Da muß der Staat ran, denn der ist für die schulische Ausbildung zuständig.“ Die Wirtschaft, so Scherer, werde dann schon die berufliche Ausbildung übernehmen.

Nichts war's also mit dem Rechenexempel von Lothar Späth. Danebengedapft. Auch bei der Stadt Mannheim sieht man die Hau-Ruck-Aktion jetzt noch viel kritischer. Brigitte Trittmacher befürchtet, daß vor allem die, die selbst durch Job-Contact keinen Arbeitsplatz gefunden haben, jetzt endgültig frustriert sind.

Rudo Friedrich weiß deshalb auch schon, was er macht, wenn der Ministerpräsident beim Arbeitsamt zur nächsten Aktion Job-Contact bläst. „Mit Sicherheit“, sagt er, „machen wir da nicht mehr mit. Zumindest nicht in der Form. Da haben die Politiker zu schnell geschossen. Wir haben die Arbeit, und die anderen die Presse.“