Tohuwabohu in Ohu

Viertes bayerisches Atomkraftwerk bei Landshut in Betrieb genommen / Zahlreiche Protestaktionen begleiteten die weiß-blauen Feierlichkeiten / Jetzt 70 Prozent Atomstrom in Bayern  ■  Aus Ohu Florian Schneider

Kein einziger Tiefflieger, sondern AtomkraftgegenerInnen störten gestern vormittag die offizielle Übergabefeier des Atomkraftwerkes Isar 2 bei Ohu in der Nähe des niederbayerischen Landshut. Das AKW Isar 2 ist das Jüngste der insgesamt vier bayerischen Atomkraftwerke und liefert seit dem 22.Januar Atomstrom ans Netz. 1.600 bayerische Festgäste, darunter Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß und Umweltminister Dick, feierten in einem eigens dafür aufgestellten Bierzelt die Inbetriebnahme des zweiten Kraftwerksblockes.

Schon am Morgen hatten Mitglieder der Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ und des Landshuter Bürgerforums gegen Atomkraft ein Floß auf dem Stausee vor dem Atomkraftwerk gestartet, auf dem ein Skelett auf einem Atommüllfaß ein Transparent „I love Ohu“ hochhielt. Während des Festvortrags von Strauß verschaffte sich die Stadtratsfraktion der Münchner Grünen mit Buhrufen und „Abschalten„-Sprechchören lauthals Gehör. Als die Abgeordneten dann ein Transparent mit der Aufschrift „Windscale, Harrisburg, Tschernobyl, Ohu - wann?“ entrollen wollten, wurden sie von den „Schwarzen Sheriffs“ des Sicherheitsdienstes rigide aus der Halle abgedrängt. Die vier StadträtInnen um den Fraktionssprecher Gerd Wolter, allesamt in schwarzen T-Shirts mit dem Spruch „Tschernobyl droht überall“, wurden trotz offizieller Einladung zur Personalienfeststellung abtransportiert und vorübergehend festgenommen. Die zahlreich präsenten Sicherheitskräfte, inklusive Polizei, und der zum Schutz von Strauß angeforderten Einsatzhundertschaft mußten auch einen zweieinhalb Meter starken Gasballon vom Himmel holen und ein Spruchband „Ohu abschalten!“ von der Bautafel entfernen.

In seiner knapp einstündigen Rede im überhitzten Bierzelt bekräftigte Strauß vor der versammelten bayerischen Atomgemeinde das Festhalten der Staatsregierung an der Atomkraft, die Inbetriebnehme von Ohu 2 sei nur ein „vorläufiger Abschluß“ des Ausbaus der Kernenergie.

Die vier bayerischen AKWs (neben den beiden Ohu-Blöcken noch Gundremmingen und Grafenrheinfeld) liefern bereits jetzt 70 Prozent der öffentlichen Stromerzeugung in Bayern. „Wir werden nicht unter dem Druck der Straße aus der politischen Verantwortung fliehen“. Ein „deutsches Reinheitsgebot“ im Sinne einer Energiepolitik ohne Atomkraft werde es nicht geben, auch wenn „manche am Werke sind, das kaputtzumachen, wa die Nachkriegsgeneration aufgebaut hat“. Ministerpräsident Strauß verteidigte auch die atomare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf vehement.

Schon im Vorfeld hatten die eingeladenen SPD-Politiker ihre Teilnahme an dem „Familientreffen“ abgesagt. Der Landtagsabgeordnete Dietmar Franzke kündigte sich allerdings schon für die „Abschaltfeier“ an. Die Stadtratsabgeordneten der Münchner SPD boykottierten den Festakt ebenfalls.

Die Stadt München hält neben den Bayernwerken, den Isar -Amperwerken und der Energieversorgung Ostbayern ein Viertel der Beteiligung an Ohu 2.