Einheit um den „Duke“ von Atlanta

■ Auf dem Parteikonvent der US-Demokraten gelobte Jackson, für Dukakis zu kämpfen / Von Stefan Schaaf

2.876 Delegiertenstimmen für Dukakis, 1.219 für Jackson. Das Ergebnis war eindeutig, aber die Schau auf dem Parteikonvent gehörte dem mitreißenden Redner Jackson - jedenfalls so lange, bis die riesige Fete für den „Duke“ begann, nachdem seine Nominierung offiziell feststand.

„Kalifornien wird am 8.November die den Sieg entscheidenden Stimmen bringen und verkündet heute abend stolz sein Abstimmungsergebnis für zwei einzigartige und sehr besondere Amerikaner: 122 Stimmen für Jesse Jackson, und das sind 235 für Michael Dukakis, die ihm zur Nominierung noch fehlenden Stimmen ...“ Nach diesen Worten der kalifornischen Delegation kommt der Saal blitzartig zum Siedepunkt, ein Meer von blauen Dukakis-Schildern hüpft minutenlang zum Klang des Orchesters auf und ab. Die Disziplin des Parteitags ist hinüber, eine spontane Fete bricht auf den Rängen und in den Gängen aus. Nachdem bereits die Delegierten der meisten Bundesstaaten ihre Stimmen abgegeben hatten, halfen die Kalifornier Dukakis über das erforderliche Limit: Damit ist Michael Dukakis im November der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei.

Dukakis sei der richtige Mann für diese Zeit, hatte sein Gouverneurskollege Bill Clinton eine Stunde zuvor in seiner Nominierungsrede gesagt. Ja, Dukakis sei in manchen Dingen „altmodisch“, aber er, Clinton, schätze es, wenn jemand ein „ehrliches Spiel spielt, sein Wort hält und seine Rechnungen bezahlt“. Dukakis sei ein Macher, jemand, der Probleme löse. Dies hält Clinton für um so wichtiger, als „die Zeit, in der Amerika die Welt ökonomisch, politisch und militärisch dominierte, vorüber ist“. Amerika werde lernen müssen, mit anderen Ländern zu konkurrieren. „Ich will, daß Michael Dukakis Präsident wird. Nicht nur, weil er Probleme erkennt und sich um sie sorgt, sondern weil er sie in seinem Staat angepackt und vielen Menschen bewiesen hat, daß er ihr Leben zum Besseren verändern kann.“ Veränderung nach acht Jahren Reagan tue not. Vierzig Prozent der Bevölkerung hätten in den ersten fünf Reagan-Jahren Einkommen eingebüßt; die Zahl der von der Bundesregierung finanzierten Bauvorhaben sei unter Reagan auf ein Achtel geschrumpft. Der Wirtschaftsaufschwung sei „auf Pump finanziert“ und habe nicht eine „Epidemie sozialer Probleme“ verhindern können, sagte Gouverneur Clinton vor dem Beginn der Abstimmung über die beiden Präsidentschaftskandidaten, in der Dukakis 2.876 und Jackson 1.219 Stimmen erhielt.

Während drinnen in der Halle noch die letzten Bundesstaaten ihre Stimmen abgaben, verlagerte sich die Dukakis-Jubelfeier nach draußen in die schwülwarme Nacht. Vor dem weiträumig abgesperrten Kongreßzentrum inszenieren zwei Hundertschaften herausgeputzter College-Kids eine spontane Demonstration für ihren „Duke“. Der größte Teil der Jubel-Truppe hat das Geschehen auf dem Parteitag seit Tagen nur von außen verfolgen können. Eine junge Frau aus Nevada kann sich angesichts blitzsauberer Junioren und Juniorinnen nicht verkneifen zu bemerken: „Es klingt wie ein platter Spruch, aber im Vergleich zu Jacksons Leuten ist das ein Unterschied wie schwarz und weiß.“ Bei den Hemden- und Buttonverkäufern fallen die Preise, je mehr Leute aus der Halle kommen und an ihnen vorbeiströmen. Die meisten sind schon in ihren Autos, als die erste Rakete eines kurzen, aber heftigen Feuerwerks in den Himmel schießt. Atlanta feiert seinen Präsidenten.