Schwül und stumpf

St. Pauli erlebt Aufsteigerschicksal: Trotz Überlegenheit eine 0:1-Heimniederlage gegen devensive Nürnberger  ■  Aus Hamburg Peter Körte

Wo war Willi? St. Pauli-Willi, der sonst bei jedem Wetter kurzbehost den Platz zu umkreisen pflegt, blieb am Samstag unauffindbar. Sein Rat bei Eckstößen wurde schmerzlich vermißt.

In den berühmten Standardsituationen gab der FC St. Pauli eine schlechte Figur ab: Eckbälle verhungerten, Freistöße wurden lieblos in Nürnberger Spielertrauben geholzt. Was sich dennoch vors Tor verirrte, wurde von Keeper Köpke mit einer Souveränität gemeistert, die an seinem Namensvetter, den unvergessenen Karl-Heinz, gemahnte.

Köpkes Gegenüber, taz-Autor Volker Ippig, verlebte einen ruhigen Nachmittag. Beim einzigen Treffer der Partie in der 83. Minute sah er sich, nachdem mehrere Herren den Ball eher desinteressiert vorbeirauschen ließen, auf einmal dem Nürnberger Neuzugang Metschies gegenüber. Ganz allein.

Zuvor hatte der Neuling vom Millerntor das Spiel kontrolliert. So schonend, wie die Nürnberger den Rasen behandelten, wäre das „Service Team“ zur Pause gar nicht erforderlich gewesen. Die Jugendlichen, ausgerüstet mit überdimensionalen Kartoffelstampfern, mußten nur wenige herumliegende Rasenstücke in ihre ursprüngliche Lage zuführen.

Bestaunt wurde ihr Treiben von 18.500 Zuschauern, die nach einigen Schwierigkeiten ihre Plätze im umgebauten Stadion einnehmen konnten.

Improvisiert wie die Anlage wirkte auch das Management des FC St. Pauli. Dank eines Formfehlers bei der Anmeldung erhielt Jan Kocian, der Neue aus der CSSR und ehemaliger Student der Philosophie, die Gelegenheit, auf der Bank über Professionalität zu räsonieren.

Die übrigen Spielerimporte hinterließen einen passablen Eindruck. Peter Knäbel, Leihgabe aus Bochum, schlug, bis ihn die Kräfte verließen, Pässe, wie man sie hier schon lange nicht mehr gesehen hat, und Egon Flad, als Nachfolger des nach Frankfurt abgewanderten Studer aus Berlin verpflichtet, erwies sich von Beginn an als sturmfreudiger Außenverteidiger.

Die Fans hingegen brauchten mehr als 20 Minuten, um zu entdecken, daß sich auf der geleasten neuen Stahlrohrtribüne durch heftiges Stampfen eine beachtliche Geräuschkulisse erzeugen läßt.

Gerade rechtzeitig im übrigen, denn zwischen der 20. und 35. Minute hätte der FC St. Pauli alles klar machen können. Der Zuruf an Trainer Schulte: „Helmut, mach sie heiß!“ war da überflüssig. Bei fast 90 Prozent Luftfeuchtigkeit hechelten die Akteure ohnehin zur Genüge.

Den Nürnbergern schien die Schwüle derart aufs Gemüt zu drücken, daß sie Sicherheitsfußball stumpfester Art boten. Beim neuformierten Club war von den „schnellsten Stürmern der Liga“ mit Sane und Eckstein nichts zu sehen.

Pfiffe gellten beim ersten Saisonauftritt, und es ist fraglich, ob die Parole des radikalen Fanclubs : „Nie wieder Faschismus. Nie wieder zweite Liga“ wird in Erfüllung gehen können.

PAULI: Ippig - Gronau - Trulsen, Duve - Olck (85.Bargfrede), Dahms, Knäbel, Zander, Flad - Golke, Steubing (74.Ottens)

NÜRNBERG: Köpke - Kuhn - Philipkowski, Giske - Schneider (74.Wagner), Dittwar (46.Th.Brunner), Schwabl, Metschies, Kristl - Sane, Eckstein