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Arme verstehen Armen

■ Sarkastische AGAB-Kritik an Erhöhung der Sozialhilfe um nur 3% / Wortbruch und Verstoß gegen Verfassung

Bremens Sozialhilfeempfänger, denen ab 1. Juli - statt der 404 Mark wie bisher - stolze 416 Mark zustehen, die sie aber erst im September bekommen sollen, haben Verständnis für den Sozialsenator: „Bremen ist arm. Wer weiß das besser als Sie“, gibt die Arbeitsgemeinschaft arbeitsloser Bürger (AGAB) sich brüderlich auf einem feurig roten Flugblatt: „Wir sind ja auch arm. So können wir nachempfinden, was es heißt, jede Million dreimal umdrehen zu müssen.“

Und dann rechnet die AGAB nach: 12 Mark Differenz, macht bei ca. 50.000 Sozialhilfeempfängern für zwei Monate, „wenn wir das Drumherum mit den Mehrbedarfszuschlägen, Krankenkostenzulagen usw. mit einbeziehen)“, 2,5 Millionen Mark. Dieser indirekte „Kredit“ der armen Sozialhilfeempfänger an das arme Bundesland sei allerdings nicht ganz freiwillig zustande gekommen, insistiert die AGAB. Tatsächlich hat es sich nicht nur in Bremen eingebürgert, die Anpassung der Sozialhilfe-Sätze um einige Monate zu verschludern; der Zinsgewinn ist nicht der ein

zige Gesichtspunkt dabei. Die Bundesländer konkurrieren zwischen 1,5 und 3%. So mußte Bremen aufpassen, daß die anderen Bundesländer auch über die 3% nicht hinausgingen...

Davon, daß im September 1987 auch der Bremer Sozialsenator verkündete, „die notwendigen Schritte zur Umsetzung des neuen Bedarfbemessungssystems“ und damit verbunden einer Erhöhung der Sozialhilfe um 10.9% „einzuleiten“ (vgl. taz 27.7.), ist keine Rede mehr: „Wieviel ist das Wort eines Bürgermeisters wert?“, fragt die AGAB. Nur die Preissteigerungen der nächsten Monate stehen schon fest: die bei Margarine, Kaffee, die infolge der Steuerreform (Tabak ...) und die dank Post- und Gesundheitsreform.

Die AGAB hält die 3prozentige Regelsatzerhöhung schlicht für „verfassungswidrig“: das „grundgesetzlich zugesicherte Sozialstaatsprinzip und das Recht auf Menschenwürde“ seien verletzt. Aber haben Sozialhilfeempfänger auf ein Exemplar des Grundgesetzes lt. „Warenkorb“ überhaupt Anspruch?

K.W.

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