Europa '92: Mafia ist gerüstet

■ Zur Niederlage der Anti-Mafia-Justiz

Noch wissen die Politiker nicht, was 1992 bei der Verwirklichung von „Europa“ eigentlich werden wird, und zweifelhaft ist auch, ob den Managern, die das Jahr so ungeduldig erwarten, klar ist, was sie im grenzenlosen EG –Raum erwartet. Eine Organisation aber hat sich längst auf das Niederlegen der Grenzen, auf die Ausweitung ihres Machtapparates und eine gigantische Profite eingestellt: Palermos Mafia.

Ihrer Lobby in Palermo und Rom ist mit der Zerstörung des Antimafia-Pools der wichtigste Schritt in Richtung Europa geglückt: Ohne polizeiliche und juristische Bremsen können sie nun von ihrer durch den „Maxi-Prozeß“ zeitweise bedrängten früheren Zentrale aus die Verbindungen in die EG –Länder stabilisieren, die noch nicht von ihnen dominiert werden. Der Kampf der Fahnder um den Ermittllungsrichter Falcone hatte der Eindämmung genau dieser Internationalisierung mafioser Geschäfte gegolten.

Man muß nicht zu den Schwarzmalern gehören, um sich klarzumachen, daß sich die baldige Aufhebung der Grenzkontrollen – an denen bisher jährlich immerhin noch einige Tonnen Rauschgift, ein paar Hunderttausend Waffen, einige Tausend Händler und Kuriere hängenblieben – sehr positiv auf die Geschäfte der „Ehrenwerten Gesellschaft“ auswirken wird: Noch ist lediglich der Großhandel europaweit überwiegend in ihren Händen und bringt ihr mehr als 40 Milliarden Dollar jährlich ein. Doch bald wird ihr in Zusammenarbeit mit der neapolitanischen Camorra und ihrem weitverzweigten Transportnetz auch der Einzelhandel gehören.

Für die Länder, wo bisher eher kleinere Gruppen aus der Türkei, Israel, dem Iran, Kuba oder sonstwoher den letzten Deal versahen, lassen sich bald kräftige Verdrängungskämpfe voraussagen – die es zwar bisher auch schon gab, doch im Vergleich zu Italien in noch eher bescheidenem Maß. Fünfzig Morde in der Bundesrepublik gegen mehr als zweitausend in Sizilien alleine innerhalb der letzten sechs Jahre sicherlich ein Unterschied, den wir noch spüren werden.

Italien ist EG-Land; doch bisher sind von Seiten der anderen Länder der Gemeinschaft nur dann Ermahnungen oder gar Bedingungen für weitere Hilfe zu hören gewesen, wenn die Regenten und Banker in Bonn, Paris oder London Angst um ihre Kredite bekamen, weil die Inflation in Italien zu hoch war, die Staatsverschuldung überschwappte oder der Wille zur Haushaltskonsolidierung nicht ausgeprägt genug war. Von einer Ermahnung, auch mal die überschwappende, grenzüberschreitende Mafia auf Dauer ebenso ernst anzugehen wie die Haushaltslage, war bisher nichts zu hören. Es wird Zeit dazu.

Werner Raith