■ Besetzte Wohnungen in der Reichenberger Straße 114 polizeilich geräumt / Verein SO 36: Polizeigewalt kein Mittel zur Konfliktlösung / Ex-Besetzer sitzen auf der Straße

Überraschend rückte gestern morgen um neun Uhr die Polizei an, um sechs besetzte Wohnungen in der Reichenberger Straße 114 räumen zu lassen. Obdachlose Jugendliche und Punks hatten die Wohnungen im Laufe des letzten dreiviertel Jahres bezogen, nachdem mehrere Mieter wegen des baulich katastrophalen Zustands ausgezogen waren. Der Privateigentümer Weber hatte Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Daraufhin wurden gestern insgesamt 27 Personen vorübergehend festgenommen und ihre Personalien überprüft. Eine Person, teilte ein Polizeisprecher mit, sei weiterhin in Gewahrsam, weil gegen sie ein Haftbefehl vorliege.

Der Verein SO 36 hat die erneute Räumung in der Reichenberger Straße scharf kritisiert. Polizeigewalt sei kein geeignetes Mittel, um Konflikte im Stadtteil zu lösen. Die Jugendlichen säßen jetzt auf der Straße. Die Räumung sei zudem völlig ungeeignet, um zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen Bewohnern und Eigentümer hinsichtlich der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu kommen, die der Eigentümer beantragt hatte.

Die Bewohner hatten bisher die Modernisierung abgelehnt, da sie zunächst die gravierendsten Instandsetzungsmängel beiseitigt haben wollten.

Das Haus ist ein „typisches Spekulationsobjekt“, das der Eigentümer Weber erst 1987 übernommen hat. Seit Jahren fordern die Bewohner, vorrangig ältere Menschen und Sozialschwache, umfassende Instandsetzungsmaßnahmen, bislang jedoch vergeblich.

Die Fenster sind verrottet, die Heizungsmöglichkeiten ungenügend und der Hof vermüllt. Nachdem mehrere Mieter wegen des miserablen Zustandes ausgezogen waren, wird dem Vermieter, da er einen Antrag auf Modernisierung gestellt hat, jetzt auch noch der Leerstand vom Land Berlin bezahlt. Den Eigentümer fordert der Verein SO 36 auf, die Strafanträge sofort zurückzunehmen. Außerdem sollten Eigentümer, „die solch katastrophale Zustände in Kauf nehmen, nicht noch mit öffentlichen Geldern belohnt“ werden.

Eigentümer Weber wies die Vorwürfe gestern zurück. Durch ständig neue Sachbeschädigungen habe es keinen Sinn mehr gemacht, Instandsetzungen durchzuführen. Die Strafanträge werde er nicht zurücknehmen. Außerdem habe ihm sogar der Verein SO 36, der in seinem Haus Mieterberatung durchführte, geraten, „die rechtstaatlichen Mittel in Anspruch zu nehmen“. Auf taz-Nachfrage bezeichnte Jung vom Verein SO 36 diese Äußerung als „unverschämt“.

bim