Abfall jetzt per Gesetz ins Ausland

Bundesumweltminister Töpfer möchte die Ausfuhr von Sondermüll besser kontrollieren / Kabinett beschließt „Abfallverbringungsordnung“ / Jährlich 700.000 Tonnen ins Ausland / Exporte in Dritte Welt „unerträglich“  ■  Aus Bonn Oliver Tolmein

Die Ausfuhr von Abfall und gefährlichem Sondermüll ins Ausland soll strenger kontrolliert werden. Gestern hat das Bundeskabinett eine „Abfallverbringungsverordnung“ beschlossen und damit, wie Umweltminister Töpfer auf einer Pressekonferenz stolz verkündete, „den letzten Schritt zu einer Vervollständigung des Überwachungssystems für grenzüberschreitende Abfalltransporte“. Bisher mußten Giftmüllexporte zwar auch genehmigt werden, es gab aber keine einheitlichen, formal festgelegten Deklarationsvorschriften. Daß mit deren Verabschiedung die Probleme des Sondermüllexports gelöst sind, glaubt der Minister allerdings selbst nicht: „Ich befürchte daß der nächste Skandal sich im Bereich des Sonderabfalls ereignen wird“, gestand er freimütig ein. Angesichts der zunehmenden Kosten für die Beseitigung von hochgefährlichem Müll werde die Umgehung bestehender gesetzlicher Regelungen finanziell immer attraktiver. Aber auch unterhalb der Skandalebene sind die größten Probleme nicht beseitigt. Die BRD steht mit ihrer Umsetzung der EG-Richtlinie für einheitliche Sondermüllbegleitpapiere innerhalb der EG nämlich noch alleine da. Töpfer befürchtet auch ein „Sonderabfallgefälle“, wenn es nicht zu EG-einheitlichen Richtlinien über den technischen Standard bei der Verbrennung hochgiftiger und gefährlicher Abfallstoffe kommt: schon heute sei zu beobachten, daß Verbrennungsanlagen eher in anderen EG-Staaten mit niedrigeren technischen Ansprüchen als in der BRD gebaut würden. Keine Lösung weiß Töpfer außerdem für das Problem, daß „vieles, was objektiv Abfall ist, subjektiv als Wirtschaftsgut deklariert wird und somit die Abfalltransportrichtlinien umgangen werden“.

Scharfe Kritik übte der Umweltminister an Giftmüllexporten in Länder der Dritten Welt: „Es ist unerträglich, wenn die Risiken unserer Wohlstandsgesellschaft dorthin gebracht werden, wo man aus finanziellen Gründen am allerwenigsten in der Lage ist, sie umweltgerecht zu entsorgen.“

Töpfer wies darauf hin, daß die BRD zur zufriedenstellenden Verbrennung von Giftmüll noch zehn Anlagen mit jeweils 60.000 Tonnen Kapazität pro Jahr benötigte. Man könne keine zehn Jahre mehr auf deren Inbetriebnahme warten. Derzeit fallen in der BRD etwa fünf Millionen Tonnen Sondermüll jährlich an, von denen etwa 700.000 Tonnen exportiert werden. Das mit 350.000 Tonnen größte Giftmüllkontingent geht auf die Deponie Schönberg in der DDR.