Stellenstopp legt Intensiv-Betten still

■ Personalmangel in der St.-Jürgen-Klinik gefährdet die PatientInnen / Personalrat: Krankenkassen nutzen Skandal, um Pflegesätze zu drücken / Deswegen kein Geld für Schwesternstellen

Seit dieser Woche stehen auf der Anästhesie-Intensivstation des St.-Jürgen-Krankenhauses wieder alle zehn Betten zur Verfügung. Sechs Wochen lang waren sie nicht belegt worden. Nicht, weil es an PatientInnen gefehlt hätte, im Gegenteil: Die kamen reichlich per Rettungshubschrau

ber, Notarztwagen und aus den Operationssälen. Aber es fehlte an Schwestern und Pflegern.

Dramatische personelle Engpässe, darüber berichteten gestern Personalräte des Krankenhauses auch aus anderen Bereichen. So werde in der Kinderklinik eine Station nur von einer

Schwester und einer Schwesternschülerin überwacht. Wenn die ausgebildete Schwester mit der Neuaufnahme schreiender kleiner PatientInnen in akuten Zuständen beschäftigt sei, dann müsse die Schülerin die übrigen versorgen, darunter Kinder, die frisch operiert sind. Dadurch könnten PatientInnen zu Schaden kommen, nicht nachweisbar und nicht so spektakulär, wie auf der Intensiv-Station. Personalrat Bernd Siebein: „Die haben immer eine Leiche zum Vorzeigen, aber die Lage auf den anderen Stationen ist nicht besser.“

Auf der Anästhesie-Intensivatation sind 27 Schwestern und Pfleger beschäfigt, nach den anerkannten Richtlinien der „Deutschen Krankenhausgesellschaft“ müßten es 34 sein, weil fast alle PatientInnen dort künstlich beatmet werden müssen.

Als in diesem Frühsommer die Pflegekräfte auf der Intensiv -Station wegen Urlaub und Krankheit besonders knapp wurden, sagte

Verwaltungsdirektor Wilfried Bolles den Beschäftigten fünf neue Schwestern-Stellen zu. Doch die Pflegedirektion wollte kurz darauf davon nichts mehr wissen. Auf Druck der Belegschaft nahm die Direktion Mitte Juni die drei Betten außer Betrieb. PatientInnen, die deshalb auf der Station nicht mehr aufgenommen werden konnten, kamen nun auf eine der beiden anderen Intensiv-Stationen des Krankenhauses.

„Wenn die Kollegen hier das übliche Industriearbeiter -Bewußtsein hätten, dann würde hier nichts mehr laufen“, sagt Personalrat Bernd Siebein. Aber das Verantwortungsgefühl gegenüber den PatientInnen verführe sie immer wieder zu Überstunden und Sonderleistungen. Auf die Folgen wies Personalrätin Christina Schröder hin: „Nach durchschnittlich vier Jahren sind sie seelisch und körperlich so fertig, daß sie aufhören.“ Andere ließen sich beurlauben oder arbeiteten nur noch halbtags.

Hintergrund der Mißstände sind die zähen Verhandlungen zwischen der St.-Jürgen-Direktion und den Krankenkassen um die Pflegesätze. Nach Meinung der PersonalrätInnen nutzen die Krankenkassen den Skandal um den früheren Verwaltungsdirektor Aribert Galla aus, um die Forderungen des Krankenhauses abzublocken. „Mit den Pflegesätzen, die die Kassen bisher angeboten haben, ist das Krankenhaus nicht lebensfähig“, betonte Personalrätin Irmgard Danne. Allenfalls seien so die Behandlungskosten in einem Kreiskrankenhaus zu finanzieren, nicht aber in der St. -Jürgen-Straße, wo der Standard einer Universitätsklinik verlangt werde. Irmgard Danne: „Wenn die Kassen nicht mehr zahlen wollen, dann muß der Senat die Differenz ausgleichen. Denn im Krankenhausplan des Landes ist festgeschrieben, daß wir schwierigste Fälle hier behandeln müssen.“

Michael Weisfeld

Siehe auch Dokumentation S.18