Die wichtigste Waffe-betr.: "Strafversetzung",taz vom 19./20.7.88

betr. „Strafversetzung“, taz v. 19./20.7.88

Für Ihre Berichterstattung am 19.07. und die Dokumentation am 20.7. zur „Strafversetzung“ des Sprechers der „BAG Kritischer Polizisten und Polizistinnen“, Manfred Such, danke ich Ihnen ausdrücklich. Der Kollege Manfred Such hat unsere volle Sympathie und Solidarität.

Allerdings möchte ich der etwas resignativ wirkenden Tendenz des Nachsatzes in der Dokumentation von Vera Gaserow ein bißchen Hoffnung entgegensetzen.

Es wäre deprimierend und hoffnungslos, gäbe es in den Polizeien des Bundes und der Länder nur rund 160 kritisch, vor allem selbstkritisch denkende PolizistInnen. Tatsächlich sind es inzwischen ein paar tausend, die das alte, vom autoritären Obrigkeitsdenken geprägte polizeiliche Berufsbild abschütteln wollen.

Die rund 30.000 bundesweit in der SPD organisierten Sozialdemokraten in der Polizei (SIP) werden von Bezirks und Landesvorständen sowie einem Bundesvorstand repräsentiert, die sich mit überwältigender Mehrheit der Schaffung einer anderen, einer besseren Polizei verschrieben haben. Gemeinsam mit sozialdemokratischen Juristen, mit kirchlichen Organisationen, mit Friedensinitiativen, mit Atomkraftgegnern und natürlich mit KollegInnen von der „BAG Kritischer Polizisten und Polizistinnen“ arbeiten wir in inzwischen ungezählten Seminaren, Tagungen, Zwie- und Gruppengesprächen daran, an die Stelle von trennenden Gräben und gesellschaftlichen Gegensätzen verbindende Brücken zu setzen. Wir propagieren - vor allem auch intern -, an die Stelle von „Rigorosität und Härte“ (O-Ton Berlins Innensenator Kewenig), Besonnenheit und Toleranz, an die Stelle von Konfrontation und Polarisation eine auf friedliche Konfliktbewältigung zielende Gesamtstrategie, an die Stelle von Steinen, Schlagstöcken, Brandflaschen, Wasserwerfern, Zwillen und Tränengas, Argumente, das Gespräch, den Dialog zu setzen. Die wichtigste Waffe des Polizisten, meinen wir, ist die menschliche Sprache; hier wäre eine Forcierung der Waffenausbildung notwendig!

Gelingt es uns nicht, einen Beitrag zum Abbau traditioneller Feindbilder auf beiden Seiten zu leisten, wachsen einerseits Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit, Frust, Wut, ja Haß, gegen die Gesellschaft, gegen den Staat, gegen die die Macht des Staates repräsentierende Polizei. Andererseits, d.h. auf seiten der Polizei, nehmen Berufszufriedenheit und Akzeptanz weiter ab, Gutwillige resignieren und kündigen (offen oder verdeckt), die „Hardliner“ gewinnen noch mehr die Oberhand, der innere Frieden weicht zunehmend stupider Law-and-order-Mentalität.

Diether Posser, von der Gustav-Heinemann-Initiative, machte in seiner Laudatio anläßlich der Verleihung des vom SPD -Parteivorstand gestifteten Bürgerpreises an die „Kritischen Polizisten“ deutlich, daß diese den Preis stellvertretend für alle mit Zivilcourage ausgestatteten Polizeiangehörigen erhielten. Wir Sozialdemokraten in der Polizei fühlten uns mitgeehrt und betrachten auch künftig alle kritisch denkenden und fühlenden KollegInnen als Verbündete im Kampf um ein demokratischeres Selbstverständnis und Berufsbild der Polizei. (...)

Jörg Kramer, Bundesvorsitzender der SPI, Berlin