Annäherung im Bauhaus

■ Berlins Regierender Bürgermeister bei Eröffnung einer deutsch-deutschen Bauhausausstellung in Dessau / Diepgen und DDR wollen Normalisierung der Beziehung zwischen West-Berlin und DDR

Berlin (dpa) - Bei der ersten öffentlichen Rede eines West -Berliner Regierungschefs in der DDR hat sich Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen in Dessau für „normale gutnachbarliche Beziehungen“ ausgesprochen. Die am Sonnabend eröffnete Ausstellung des West-Berliner Bauhaus-Archivs in Dessau im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturabkommens bewertete Diepgen als „wichtigen, konstruktiven Beitrag“ dafür.

Der Regierende sprach die Hoffnung aus, daß mit dieser Ausstellung ein Beitrag geleistet werde, „die kulturelle Einheit Europas trotz staatlicher Teilung für immer mehr Menschen praktisch erlebbar zu machen“. Für die DDR sagte Baustaatssekretär Karl Schmiechen in dem von Bauhaus-Gründer und Architekt Walter Gropius 1925 in Dessau errichteten Gebäude, sein Land sei bestrebt, daß sich das Verhältnis zwischen ihm und West-Berlin weiter normalisiere. Die Ausstellung würdigte er als Ergebnis einer auf Entspannung und friedliche Nachbarschaft gerichteten Dialogpolitik, die in Ost und West immer mehr Zustimmung finde.

Diepgen wurde bei seiner Visite vom Bonner Ständigen Vertreter Bräutigam begleitet. Damit wurden auch die besonderen Bindungen West-Berlins an den Bund unterstrichen. Diepgen hatte im Frühjahr den DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker in Ost-Berlin besucht und dabei Aktivitäten zwischen der DDR und West-Berlin im Rahmen des Kulturabkommens besprochen. „Experiment Bauhaus“ ist das zweite West-Berliner Projekt im Rahmen dieses Abkommens. Die Kosten in Höhe von etwa 300 000 Mark wurden vom Bund und vom Land Berlin zu gleichen Teilen finanziert. Rund 350 Stücke des West-Berliner Bauhaus-Archivs werden bis zum 25. September in der DDR präsentiert. Einige der Objekte gelangen damit wieder an den Ort ihres Ursprungs. Das Dessauer Bauhaus gilt seit seiner Errichtung als Inbegriff der Moderne in Architektur und Gestaltung. Es wurde bei der Auswahl darauf geachtet, Exponate vorzustellen, die in der DDR bisher nicht zugänglich waren.

Diepgen wies darauf hin, daß das Bauhaus Zeit seiner Existenz ein Politikum gewesen sei. Seine Stationen in Weimar und Dessau seien Zeugnisse deutscher Geschichte, die auf gemeinsame Spuren und auf geschichtliche Verantwortung verwiesen.

Im Zusammenhang mit der jüngsten Entwicklung im Ost-West -Verhältnis und der Einbindung Berlins sprach Diepgen in einem RIAS-Interview von „mehr Schritten vorwärts als rückwärts“. Er verwies auch auf geplante Gastspiele des Grips-Theaters in der DDR sowie die Beteiligung der DDR an den Theater- und Festwochen in West-Berlin. Kommentar auf Seite 4