Handel um Rumäniendeutsche

■ Ceausescu will mehr Geld für Ausreisegenehmigungen / Flucht vor „Dorfzerstörung“

Berlin (dpa/taz) - Es riecht nach Menschenhandel. 8.000 Mark hat Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu bislang für jeden Rumäniendeutschen kassiert, den er in die Bundesrepublik ausreisen ließ, bislang insgesamt rund eine Milliarde Mark für 120.000 Auswanderer. Nun laufen die Verhandlungen über eine Erhöhung des „Kopfgeldes“. Denn der Vertrag, den der frühere Bundeskanzler Schmidt und Ceausescu 1978 abgeschlossen haben, ist im Juni dieses Jahres ausgelaufen.

Bleiben oder gehen? Mindestens zehn Jahre lang war dies die beherrschende Frage in den Dörfern und Städten der Rumäniendeutschen. Heute nicht mehr. Die überwiegende Mehrheit der noch verbliebenen 230.000 Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben hat sich offenbar längst entschieden. Sie will raus, raus aus dem Reich des Conducator (Führer), wie sich Ceausescu selbst zu nennen beliebt.

„Die Alten sterben aus, die Jungen gehen.“ Immer wieder hört man diese Klage in den Dörfern, die vor 30 Jahren noch ausschließlich „deutsch“, heute fast durchweg mehrheitlich „rumänisch“ sind. Zur Flucht aus der bitteren Armut gesellt sich nun noch die Flucht vor der „Systematisierung“, wie Ceausescu die angepeilte Zerstörung von etwa 8.000 Dörfern im Rahmen des Aufbaus von 500 „agro-industriellen Zentren“ nennt.

80 Prozent der Rumäniendeutschen wollen nach Schätzungen aus Bonn den Balkanstaat verlassen, und das Bundesinnenministerium will „möglichst vielen möglichst schnell“ die Ausreise ermöglichen. „Wir ermuntern niemanden. Wir wollen aber allen, die zu uns wollen, die Ausreise ermöglichen. Und dies soll nicht an Forderungen aus Bukarest scheitern“, sagte Wighard Härtl, Sprecher des Ministeriums am Dienstag.

Die „Forderungen aus Bukarest“ sind dem Vernehmen nach Hilfe der BRD für ein erweitertes Handelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft und eine Verdoppelung des „Kopfgeldes“. Für die 180.000 Ausreisewilligen würde das wirtschaftlich ruinierte Rumänien in diesem Fall an die drei Milliarden Mark erhalten, eine Summe, die Ceausescu bitter nötig hat, vor allem wenn er das Wahnsinnsprojekt der „Systematisierung“ tatsächlich - wie angekündigt - ab 1.September dieses Jahres durchsetzen will. Am 15.August sollen offiziell die Namen der Dörfer bekanntgegeben werden, die als erstes den Planierraupen zum Opfer fallen.

Neue Nahrung hat die Debatte um den „Aufkauf“ der Rumäniendeutschen nun über die Stellungnahme des Siebenbürger Bischofs Albert Klein erhalten. In einem Gespräch mit der 'Süddeutschen Zeitung‘ warnte er davor, die Rumäniendeutschen „schneller als bisher von Bukarest freizukaufen“. Das Oberhaupt der lutherischen Kirche, der fast alle Siebenbürger Sachsen angehören, schätzt, daß etwa ein Drittel der Rumäniendeutschen im Lande bliebe, falls die Ausreisewünsche nicht von außen stimuliert würden. Eine Massenabwanderung aber, so befürchtet der 77jährige Bischof, würde „auch für jenen, die eigentlich nicht weggehen wollen, das Bleiben unmöglich machen“. Wegen der dann zusammenbrechenden kulturellen Infrastruktur „würde eine Gemeinde nach der andern aufhören, lebensfähig zu sein“.

Diesen Argumenten mochte sich Klaus Rose, CSU-Abgeordneter und Vorsitzender der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe im Bundestag, nicht verschließen. Wer die Auflösung vieler Dörfer durch die rumänische Regierung beklage, dürfe nicht gleichzeitig einen „Auflösungsdruck durch erhöhte Abwanderungsprämien erzeugen“. Auch der Vorsitzende der in der BRD ansässigen Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Wolfgang Bonfert, meinte, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, Bonn fördere mit finanziellen Anreizen die „Entwurzelung“ der Rumäniendeutschen.

thos