Methadon zum Hoffen, nicht nur zum Sterben

■ Über eine Ausdehnung des klinischen und ambulanten Methadon-Programms nur für Aidserkrankte denkt man in der Bremer SPD nach / SPD-Fraktionsausschuß Drogen tendentiell positiv / Justiz, Polizei und Inneres 'nicht abgeneigt‘

„Das hat mich sehr bewegt“, bekannte gegenüber der taz Reinold Stiering, SPD-Bürgerschafts-Abgeordneter. „Ich war erschüttert“, faßte sein Kollege Horst Isola (SPD) zusammen. Der SPD-Fraktions-Arbeitskreis 'Drogen, Aids und Randgruppen‘ (AK Drogen), dessen Vorsitzender Stiering ist, hatte die Drogenberatungsstelle 'DROBS‘ in der Bauernstraße besucht und vor Ort mit den Menschen Kontakt aufgenommen, die vielleicht auch in Bremen ambulant mit Methadon, dem ärztlich verschreibbaren Heroin-Ersatz, versorgt werden sollen. Und Junkies, Altfixer und schwangere Abhängige hatten den BesucherInnen gesagt, warum sie jedenfalls ganz große Hoffnungen auf Methadon setzen. Der AK Drogen, besetzt mit VertreterInnen aus den Bereichen Gesundheit, Justiz, Inneres, Jugend, Soziales, Bildung, wird in dieser Frage vielleicht das Zünglein an der Waage werden und die verhärteten Fronten zwischen

den einzelnen Behörden zusammenbringen.

Die Bundesländer um Bremen, auch das CDU-regierte Niedersachsen, planen oder beginnen bereits Methadon -Programme. NRW-Sozialminister Heinemann (SPD) hat angekündigt, auch die bislang unentschlossenen SPD-Länder Bremen und Schleswig-Holstein für Methadon-Programme gewinnen zu wollen. Und die Bremer Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger verfolgt unbeirrt ihren Weg, zumindest für die Betroffenen ihres Bereichs - die aidskranken FixerInnen auch eine ambulante Methadon-Versorgung aufzubauen.

Zu einem Gespräch auf höherer Verwaltungsebene trafen sich in der letzten Woche Herren verschiedener Ressorts im Büro des Mitte-Ortsamtsleiters Dietrich Heck. Denn im Szene -Viertel sind die direkten Auswirkungen nicht des Heroins, sondern der Folgewirkungen Beschaffungsprostitution, Kriminalität und

Verwahrlosung hautnah und täglich präsent. Einige Tage später, am Mittwoch abend, faßte im überfüllten Versammlungsraum des Ortsamtes Frank Schmidt, unter dem Sozialsenator und erklärten Methadon-Gegner Scherf für Drogenfragen zuständig, einige Ergebnisse der internen Konferenz zusammen: Nicht die Zahl der Bremer Drogenabhängigen, aber der kriminellen Delikte, Krankheiten und Todesfälle steigt. Die soziale und gesundheitliche Verwahrlosung ist unübersehbar. Immerhin drei Ressorts Gesundheit, Justiz und Inneres - wären auch gegenüber einem erweiterten Methadon-Programm - „nicht abgeneigt“, wenn es Hoffnung gäbe auf weni

ger Kriminalität, weniger Aids, weniger Verwahrlosung. Die Abteilung Soziales blieb einstweilen und jedenfalls öffentlich noch bei ihrem Nein.

Wenn für eine Willensbildung in Senat und Bürgerschaft das Votum des SPD-internen AK Drogen wiegen wird, dann stehen die Zeichen eher für Methadon. Ausführlich und auch in Zürich und Amsterdam, wo Methadonprogramme seit Jahren laufen, will der Arbeitskreis sich erstmal informieren. AK -Mitglied und Abgeordnete Barbara Noack: „Wir sind auf verschiedenen Ebenen nachdenklicher geworden.“ Nicht so sehr das Ob, mehr das Wie ist die große Frage. Denn einig wie selten sind sich alle Betei

ligten darüber, daß nur Methadon, ohne psychosoziale Betreuung, ohne konstante medizinische Kontrolle, ohne Wohn -und Arbeitsangebot zum Scheitern verurteilt ist.

„Die Vergabe von Methadon darf nicht dazu mißbraucht werden, drogenabhängige Aids-Erkrankte ruhig zu stellen, ohne begleitende Hilfen anzubieten“, fordert auch der Grüne Horst Frehe. Weil Methadon vom Ansatz her nicht als Sterbehilfe, sondern als neue Hoffnung und neue Lebenschance für Heroinabhängige gemeint ist, halten die Grünen wie auch die Aids-Hilfe oder der Arbeitskrweis Kommunale Drogenpolitik eine Ausdehnung auch auf nicht aidskranke Abhän

gige für sinnvoll. Und eben über die Vergabe des Ersatz -Opiates außerhalb des engen klinischen Bereichs denkt der AK-Drogen nach.

Noch gibt es kein Votum, aber immerhin persönliche Einstellungen: „Wir können in Bremen keine Insel sein, wir müssen von starren Gesinnungen weg und den Menschen helfen!“, sagte Stiering gegenüber der taz. Und „Ich persönlich gehe davon aus, daß wir solche Modellprojekte daß wir das auch machen würden. Die Bevölkerung vor Kriminalität zu schützen und die Menschen vor dem Knast das sind doch Gründe, das weiter auszudehnen!“, argumentierte der Jurist Isola. Susanne Paa