2/3 Bremen, 1 für den Rest der Welt

■ Am Donnerstag wurde im Lagerhaus das Programm der 88er Breminale vorgestellt: KukuoB-Mitasrbeiter mit Sinn für Qualität und fürs finanziell Machbare wollen keine Kulturprovinz-Leistungsschau

Leicht gemacht haben sie es sich nicht gerade, die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Breminale der Kultur -Kooperative Bremen (KuKoB). Bei ihrer 'öffentlichen Pressekonferenz‘ im Lagerhaus Schildstraße konnten sie nicht oft genug darauf hinweisen, daß Qualität den Vorrang haben solle vor einem flächendeckenden Bremer „Kulturprovinz -Leistungsschau-Festival“. Uli Pollkläsener, Sprecher der KuKoB, wollte somit gleich denjenigen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, denen das Konzept der 2. Breminale 1988 nicht bodenständig oder umgebungsgebunden genug erschien. Als ein Festival, das „sich abhebt von dem, was uns hier in Bremen im Sommer sonst so um die Ohren geschlagen wird,“ beschrieb er die kulturelle Gratwanderung der Vorbereitungsgruppe. Die Attraktivität des hanseatischen Spektakels auf den Weserwiesen auch für Bewerber aus dem Ausland ist jedenfalls übergroß. Bei zweihun

dert auftrittswilligen Bands im Musikbereich zum Beispiel waren auch ebensoviele Demo-Kassetten anzuhören.

So mußten „Auswahlprioritäten“ dafür herhalten, ein ausgewogenes Verhältnis von zwei Dritteln „Umgebungskultur“ und einem Drittel überregionalen Programmangeboten herzustellen. In den Bereichen Literatur, Medien, bildende Kunst, Musik und Theater fanden sich jeweils Arbeitsgruppen zusammen, die sich selbst zu großen Teilen „aus Künstlern zusammensetzen, die Kulturarbeit von Veranstalter - wie von der Bühnenseite her kennen“, betonte Pollkläsener. Und fürwahr: Was sich da an der Weser zwischen dem Fahrradtunnel am Wall und der Sielwall-Fähre sowie an etlichen dezentralen Schauplätzen abspielen soll, ist ein geballtes Kulturangebot „mit einem Stück Ideologie drin - ohne Konkurrenz zu Kommerzveranstaltungen“. So dürfte es dann auch einige Probleme bereiten,

den Gesamtetat von 300.000 DM zu decken. Da der Senat nur für ein Drittel des Betrages aufkommen wird, sind die Veranstalter auf die überwiegend in Naturalien aufgewendeten Sponsorenspenden und einen regen Publikumszuspruch angewiesen. Für die (allerdings nur im Vorverkauf erhältliche) Breminale-Plakette für 25 DM (im Vorjahr reichte noch ein Zehn-Mark-Schein zum Eintritt für alle fünf Tage) gibt es dann auch Veranstaltungen rund um die Uhr. Annähernd 150 einzelne Programmpunkte weist das kostenlose Ankündigungsheft auf. Mit Frühauf, Matthies, Reich und Richter werden vier Autoren aus Rostock /DDR im Ambiente aus ihren Arbeiten lesen. Aus den Niederlanden tritt Het Nieuw Symbolistisch Theater Amsterdam mit einem barockem Melodrama in grotesken Szenerien auf, und an Bäumen des Osterdeiches werden Neoninstallationen des Aacheners Mike Rodemer sowie ein Kreisfeld für vier

Fahnen und 64 Steine auf der Osterdeichwiese von Brigitta Weimer aus Köln das Publikum um einige Erfahrungen im Bereich der Bildenden Künste reicher machen. Musikalisch versprechen die Brandos aus New York mit impulsivem Gitarrenrock ebenso viel wie das Munich Art Ensemble 'dessen Repertoire zeitgenössische Kammermusik von Stockhausen bis Cage beeinhaltet. Den Auftakt des Festivals bildet die Französische Klangformation Azimut, die mit einer Verbindung von akustischen und optischen Stilelementen arbeitet.

Viel auswärtiges Kulturgut also. Doch der vielzitierte Qualitätsanspruch soll eben auch gerade von einheimischen Künstlern untermauert werden. So sind dann auch etwa 20 der ungefähr 30 Musikgruppen im Bremer Raum angesiedelt, mit den Scraps ,Christian Kaiser und Baobab Whizzle unter anderen Lokalmatadoren der hiesiegen Szene. Das Niederdeutsche Theater und die

Bremer Bühne sind dabei ebenso vertreten wie die Lyriker und Poeten Witte/Marquardt und Widgrube/Ochs.

Doch nicht alle sind zufriedengestellt. So bemäkelte eine Besucherin der Breminale-Pressekonferenz das Fehlen einer eigen Sparte Frauenkultur. Pollkläsener hielt leicht angefaßt die spezifische Festivalstruktur entgegen, die zwar nicht zielgruppengemäß ausgerichtet sei, aber doch versuche, auch die femininen Belange zu berücksichtigen. Und dann waren da noch die jungen Leute der Off-Breminale 'die, weit weniger radikal als vielleicht vermutet, ihrem Unmut über die Nicht-Berücksichtigung so mancher Bremer Lokalband in einem Flugblatt Ausdruck verlieh. Mit der Aufforderung an die Offiziellen, die inhaltliche Richtung noch einmal zu überdenken, wollen sie trotzdem allen Durchfallern am 3.9.88 im Wehrschloß eine Auftrittsmöglichkeit bieten.

Jürgen Francke