Thälmann-Prozeß: Freispruch gefordert

Plädoyer des Staatsanwalts / Zwar sei der Angeklagte Ex-SS-Mann Otto nicht unschuldig, ein konkreter Tatbeitrag an der Ermordung des Kommunistenführers sei aber nicht nachweisbar / Zeugen unglaubwürdig  ■  Aus Düsseldorf Bernd Gäbler

Freispruch für den des Mordes angeklagten Wolfgang Otto forderte die Staatsanwaltschaft im Mordprozeß Thälmann. Zwar halte sie den Angeklagten Otto, der SS-Oberscharführer im KZ Buchenwald war, nicht für unschuldig, aber mit hinreichender Sicherheit sei sein konkreter Tatbeitrag an der Ermordung des Kommunistenführers nicht nachzuweisen.

Nicht nur Rädchen, gut funktionierendes Rad im Getriebe der Maschinerie von Mord und Terror sei dieser Mann gewesen, der jeden Befehl, der ihm gegeben wurde, ausgeführt habe, sagte Staatsanwalt Brendle vor dem Düsseldorfer Schwurgericht. Er habe „das Blut unschuldiger Menschen“ an den Händen. Nur sei Otto nicht in strafrechtlich relevanter Weise an der Ermordung Ernst Thälmanns beteiligt gewesen.

Die Tatsache des Mordes ist inzwischen auch für die Staatsanwaltschaft gegeben; es sei eine bewußte Nazi-Lüge zu behaupten, Thälmann sei während des Bombenangriffs auf das Lager am 24.August 1944 umgekommen. Sehr wahrscheinlich in der Nacht vom 17. auf den 18. August sei Thälmann in Buchenwald erschossen worden.

Das Krefelder Landgericht hatte Otto vor zwei Jahren zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Siebenmal in einem Vierteljahrhundert war das Verfahren eingestellt worden, erst durch Klageerzwingungsverfahren war die Staatsanwaltschaft in Bewegung gesetzt worden. Dann kassierte der Bundesgerichtshof (BGH) das Krefelder Urteil.

Otto stellte in Buchenwald die Kommandos zusammen, bereitete die Hinrichtungen vor, hakte die Namensliste ab, gab die Vollzugsmeldungen weiter. Daß er ausgerechnet bei der Hinrichtung Thälmanns nicht dabeigewesen sein soll, kam dem Krefelder Gericht „lebensfremd“ vor. Genau hier hakte der BGH ein: das möge zwar sein, aber der konkrete Tatbeitrag sei nicht exakt nachzuweisen.

Auch die Staatsanwaltschaft nimmt an, daß Otto zur Tatzeit im Lager war nicht notwendig ergebe sich daraus aber die Anwesenheit bei der Exekution. Säuberlich isolierte die Staatsanwaltschaft Beweise, Indizien und Zeugenaussagen, türmte Ungewißheiten, bis übrigblieb, daß eben sie das einzige sei, dessen man sicher sein könne. Auf eine Würdigung der Person Ottos, der Systematik des Verbrechens, der Dimension des Prozesses verzichtete das staatsanwaltliche Plädoyer.

Die Hauptbelastungszeugen aber, der Leichenträger Zgoda, wie der ehemalige SS-Mann Fricke, seien durch und durch unglaubwürdig. Im Unterschied zum Krefelder Verfahren wurden diesmal dem verstorbenen Zeugen Zgoda nicht nur Widersprüche in seinen Aussagen von 1947-1963 vorgeworfen, sondern auch Übereinstimmungen. Seine Aussage vom November 1948 entspreche einer schriftlich niedergelegten Aussage vom Mai '47 so sehr, daß sie wohl auswendig gelernt sei. Haupttäter seien Hitler und Himmler. Beihilfe sei es, wenn Otto nachweislich bei der Exekution dabei war oder genau diese Hinrichtung an diesem Tag durch konkrete Handlungen vorbereitet hätte. Das sei mehr als 40 Jahre später kaum mehr nachzuweisen.

Freispruch hatte die Staatsanwaltschaft auch in Krefeld gefordert. In Düsseldorf hat sie klargemacht, daß sie sich bewußt in die Kontinuität der bundesdeutschen justitiellen Behandlung der NS-Verbrechen stellt.