: SPD lehnt Daimler-MBB-Fusion ab
■ Einstimmiger Beschluß des Parteivorstands: Riesen-Rüstungskonzern mit zentralen Grundsätzen der Partei unvereinbar / Wedemeier soll „öffentlich Widerstand signalisieren“
Dreieinhalb Stunden diskutierte der SPD-Landesvorstand am Freitagabend über den geplanten Einstieg von Daimler Benz beim Flugzeug- und Rüstungsproduzenten MBB. Die „spannendste Diskussion in der Geschichte des Landesvorstands der letzten Jahre“, so einer der Teilnehmer, endete mit einem einstimmigen Beschluß: „Der Landesvorstand der SPD lehnt die geplante Fusion Daimler/MBB ab.“
Neben der Kritik an der Strategie des Automobilgiganten Daimler Benz, den eine Beteiligung bei MBB gleichzeitig zum größten Rüstungsunternehmen der Bundesrepublik machen würde, trifft der Beschluß auch Bürgermeister Klaus Wedemeier. Wedemeier hat sich bereits mehrfach für eine „industrielle Führerschaft“ von Daimler Benz bei MBB ausgesprochen. Bislang einzige Voraussetzung des Bürgermeisters bei einer Daimler-MBB-Fusion: Auch bei einer neuen Zusammensetzung des MBB-Aufsichtsrats müsse er sein Mandat behalten dürfen. Bei 4.000 MBB-Arbeitsplätzen dürfe Bremen keinesfalls seinen Einfluß auf die Standortpolitik und Auftragsvergabe des Konzerns verlieren.
Gegen die pragmatischen Argumente des Bürgermeisters führt der SPD-Landesvorstand sozialdemokratische Partei-Grundsätze ins Feld. Seine Bedenken, so heißt es in dem Be
schluß weiter, „richten sich insbesondere gegen die rüstungspolitischen Gefahren, die Errichtung eines industrie -militärischen Monopols und die Gefahren der Arbeitsplatzvernichtung durch Rationalisierung. Nach Auffassung des Landesvorstandes der SPD wird hier wirtschaftliche und finanzielle Macht zur politischen Macht.“ Landesvorstands-Mitglied Armin Stolle: „Bei Entscheidungen von solcher Trag
weite müssen Senat und Bürgermeister lernen, die Partei zu fragen, bevor sie sich öffentlich festlegen.“ Vor allem mit den friedenspolitischen Prinzipien der Partei und ihren Grundsatzerklärungen zur Umstellung von Rüstungs-auf zivile Produktion sei die bisherige Haltung des Senats schlecht zu vereinbaren. Die jetzt vom Parteivorstand für dessen Eigenmächtigkeit ausgestellte Quittung: 40 Millionen, die Wede
meier bei einer Kapitalerhöhung notfalls für Bremens 10 -Prozent-Anteil bei MBB und das eigene Aufsichtsratsmandat ausgeben wollte, soll es nach den Vorstellungen des Landesvorstands erstmal nicht geben. Stattdessen soll Wedemeier in die Partei-Pflicht genommen werden, „öffentlich ein Stück Widerstand gegen die Fusions-Pläne zu signalisieren“.
Ob das viel nützen wird, scheint der SPD-Vorstand aller
dings selbst zu bezweifeln. Für den Fall, daß es dennoch zu einer Fusion kommen sollte, fügte der Partei-Vorstand seiner grundsätzlichen Ablehnung der Fusions-Pläne vorsorglich einen zweiten Passus hinzu. Darin wird dem Senat bei einer Fusion vor allem „die Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze und die Umsteuerung auf zivile Produktion“ ans Herz gelegt. Auf keinen Fall dürfe der Anteil ziviler Produktion in Bremen und in Norddeutschland verringert werden. Notfalls soll Bremen gemeinsam mit Hamburg, das mit 18 Prozent an MBB beteiligt ist, eine „Sperrminorität zur Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze in der Region“ bilden.
Bürgermeister Wedemeier hat den Vorstandsbeschluß inzwischen „ausdrücklich begrüßt“, indem er ihn offenkundig gezielt mißverstand. Was der Landesvorstand als „Plädoyer für eine innerparteiliche Streitkultur und Regierungskontrolle durch die eigene Partei“ (Stolle) gemeint hatte, interpretierte Wedemeier als Bestätigung seiner bisherigen Politik Die Aufforderung, gemeinsam mit Hamburg eine Sperrminorität zu bilden, bestärke ihn in in seiner Anstrengung, die bremische Zehnprozent-Beteiligung und den eigenen Aufsichtsrats-Posten auf jeden Fall zu halten, ließ der Bürgermeister schlitzohrig wissen.
K.S.
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