Majdanek-Adjutant schweigt sich aus

Anklageschrift im Bielefelder Majdanek-Prozeß gegen den Lager-Adjutanten Höcker verlesen / Vorwurf: Vorsätzliche Hilfe bei der Ermordung ungezählter Menschen / Angeklagter will sich nur noch „zur Person“ äußern  ■  Von Bettina Markmeier

Berlin (taz) - Am zweiten Verhandlungstag gestern im Bielefelder Majdanek-Prozeß wurde die Anklageschrift gegen den 76jährigen Angeklagten Karl-Friedrich Höcker verlesen. Staatsanwalt Brendle von der Kölner Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Massenverbrechen beschuldigte den ehemaligen Adjutanten der Kommandanten Florstedt und Weiß, bei der Ermordung ungezählter Menschen „vorsätzlich Hilfe geleistet zu haben“.

Höcker sei an der Belieferung und Bevorratung des Lagers Majdanek mit dem Giftgas Zyklon-B beteiligt gewesen, indem er entsprechende Bestell- und Lieferschreiben neben dem Kommandanten abzeichnete und an die Lagerleitung weiterreichte.

Anhand von Dokumenten könne die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten die Beteiligung an der Beschaffung von 8.100 Kilogramm Zyklon-B nachweisen, mit dem während seiner Dienstzeit mindestens zweimal, im Juli 1943 und im Februar 1944, Menschen vergast worden sind. Als Adjutant sei Höcker über alle wichtigen Vorgänge im Lager unterrichtet gewesen, habe diese in seiner Funktion auch gebilligt und damit als Dienst- und Disziplinarvorgesetzter der Aufseher und Wachmannschaften diese in ihrem Tun psychisch unterstützt.

Im Anschluß an Brendles knappen Ausführungen verlas ein Bielefelder Staatsanwalt die Meineids-Anklage gegen Höcker aufgrund seiner Aussagen im Düsseldorfer Majdanek-Prozeß. Der wichtigste Punkt: Höcker war entgegen seiner damaligen Aussage in Düsseldorf doch am 3.November 1943 in Majdanek. Am 3.November 1943 fand dort die sogenannte „Aktion Erntefest“ statt, bei der die Nazis mit über 200 „Gehilfen“ aus der Umgebung an einem Tag 17.000 Menschen erschossen. Seine Aussagen, die er bisher immer „nach bestem Wissen und Gewissen“ gemacht habe, hätten ihm nun ein Verfahren wegen Meineides eingebracht, erklärte Höcker nach der Anklageverlesung. Niemand könne „alle diese Daten im Kopf behalten“. Er habe aus der Anklage wegen Meineides die Konsequenz gezogen, in diesem Verfahren „keinerlei Aussagen zur Sache“ mehr zu machen. „Zur Person“ wolle er sich allerdings äußern. Die anschließende Erörterung von Höckers Lebenslauf bestätigte, daß dieser selbst nicht versucht hatte, seine KZ-Laufbahn zu unterbrechen. Mehrmals sagte er, daß man dort zu dienen hatte, „wo man hingestellt wurde“, und daß es „keine Ausweichmöglichkeit gab“.

Die Verhandlung wird am kommenden Freitag fortgesetzt.