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Nach 60 Prozent des Pensums ist die Anstaltsleitung in der Gewinnzone

■ Mieser Lohn, aber wenigstens Arbeitslosenversicherung durch Zwangsarbeit im Knast

Arbeit wird als Grundlage eines geordneten und wirksamen Strafvollzuges angesehen, welche in der JVA Ludwigsburg mit allen Raffinessen durchgeführt wird. Durch gewisse Herren in der Anstaltsleitung werden Pensumvorgaben errechnet, die jede realistische Diskussionsgrundlage vermissen. Gefangene, die ausschießlich pensenabhängigen Verdienst haben, erreichen einen monatlichen Verdienst von ca. 60 Mark (Durchschnittsverdienst der mir bekannten „Arbeiter“). Das Pensum ist so hoch gesetzt, daß die Anstalt bereits bei etwa 60 Prozent Pensumerfüllung in gewinnträchtige Zonen kommen, bei der der Verdienst erst richtig anfängt. Jedoch nicht bei den Gefangenen. Das Land Baden-Württemberg hat meines Wissens im Jahre 1987 einen Reingewinn von ca. 35 Millionen DM durch eine derartige Arbeitskraftausnutzung erwirtschaftet, die dem Gefangenen nicht den geringsten Vorteil erbracht hat. Das Gegenteil ist der Fall, denn es geschieht immer wieder, daß die Arbeitspensen noch höher gsetzt werden. Dies geschieht dann mit der Begründung: „Der Gefangene XY hat das auch geschafft“. Dieser Gefangene ist zu diesem Zeitpunkt allerdings schon entlassen und kann nicht befragt werden, ob dies auch der Wahrheit entspricht. Zu den pensenabhängigen Arbeiten reichen vielleicht zwei Beispiele:

-25 Kabeltrommeln pro Stunde, wenn es sich um Kabeltrommeln handelt, die einen Verteilerstecker für vier Stecker besitzen, das heißt, daß für jede Kabeltrommel eine Zeit von 144 Sekunden angesetzt wird. Durchschnittlich werden zehn bis 14 Kabeltrommeln pro Stunde fertiggestellt.

-Reflektoren in einer Anzahl von 210 sollen in einer Stunde zusammengesetzt werden, eine Zeitspanne von ca. 17 Sekunden pro Stück. Ein bisher nicht erreichtes Pensum, wenn ich mich nicht irre.

Doch wer setzt diese Pensen zusammen? Da kommt dann irgendein Zeitnehmer, der die Zeit bei einem Gefangenen nachmißt, die er benötigt, um die entsprechende Arbeit durchzuführen. In der Zeitnahme wird jedoch nicht berücksichtigt, daß der Gefangene das benötigte Material auch irgendwie holen muß. Oder gibt es bereits eine Einrichtung, die vom arbeitenden Gefangenen als „Tischlein deck dich“ anzusehen ist? Es heißt also: sieh zu, wie das Material rankommt, unser Problem ist das nicht. Eventuell anfallende Wartezeiten werden natürlich nicht bezahlt, da diese Zeit der Arbeit auch pensumabhängig ist. Wie soll diese aber ohne Material genutzt werden?

Die Entlohnung ist natürlich so gut, daß sich der Gefangene gar nicht beschweren braucht! Diese ist im Bundesverfassungsgesetz als Eckvergütung geregelt. Danach stehen dem Gefangenen fünf Prozent des durchschnittlichen Einkommens zu, das ein freier Arbeitnehmer pro Tag erreicht. Dieser Lohn wird dann natürlich noch einmal aufgeteilt. Zwei Drittel können genutzt werden beim Einkauf oder ähnlichem, und das andere Drittel wird als Überbrückungsgeld festgehalten. Dieses beträgt die Höhe eines doppelten Sozialhilfesatzes, also zur Zeit 820 Mark bei einer ledigen Person. Wenn ich jetzt den hiesigen Durchschnittsverdienst zugrundelege, so müßte der Gefangene 41 Monate im Knast ausgebeutet werden, um das vorgeschriebene Überbrückungsgeld zusammen zu kriegen. Was machen denn dann die sogenannten Kurzstrafen, die unter einem Jahr drin sind?

Anfang der achtziger Jahre sollte diese Gefangenenvergütung erhöht werden. Die Bundesregierung versprach, die Eckvergütung zum 1.1.1981 von fünf auf zehn Prozent des Durchschnittseinkommens zu erhöhen. Bis jetzt sind nicht weniger als sieben Jahre vergangen, ohne daß dieses „Versprechen“ in die Tat umgesetzt wurde. Na ja, was soll es, versprechen kann sich jeder einmal, oder?

Der Stundenlohn wird errechnet aus dem Durchschnittseinkommen, das ein freier Arbeitnehmer vor zwei Jahren hatte. Das ergibt natürlich keine Anpassung an die zwischenzeitlichen Preissteigerungen, die im Knast nochmals durch die Monopolisierung der Einkaufsmöglichkeiten hochgetrieben werden. Der Ecklohn wird noch einmal in fünf Stufen aufgeteilt, die den entsprechenden Anforderungen angepaßt sind:

Stufe I Arbeiten ohne Vorkenntnisse 0,78 DM pro Stunde,

Stufe II Arbeit, die Einarbeitungszeit erfordert, 0,92 DM pro Stunde

Stufe III Arbeit, die Anlernzeit erfordert, 1,05 DM pro Stunde

Stufe IV Facharbeiterleistung 1,17 DM pro Stunde

Stufe V besonders hohe Anforderungen 1,31 DM pro Stunde.

Es gibt zwar noch verschiedene Zulagen, so daß der Verdienst etwas erhöht werden kann, doch sind das Pfennigbeträge, die kaum zu spüren sind. Das Positive an der ganzen Entlohnung ist lediglich, daß der Gefangene in der Unfallversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung drin ist. Diese kosten den Staat pro Gefangenen 7,50 DM pro Tag. Zu beachten ist dabei, daß dies nur für arbeitende Gefangene zählt. Bei Arbeitslosen im Knast wird ein Taschengeld zur Verfügung gestellt, welches pro Gefangenem einen Betrag von zur Zeit 38,43 DM im Monat erreicht. Dies gilt natürlich nur dann, wenn der Gefangene unverschuldet arbeitslos ist. Bei einer Arbeitsverweigerung gibt es jedoch nichts, außer der Anwendung von Hausstrafen wie Freizeitsperre, Einkaufssperre, Einzelhaft ...

Die Weiterbildungsmögichkeiten sollten der krönende Abschluß werden. Doch gibt es hier außer dem nachträglichen Erreichen des Hauptschulabschlusses absolut keine Weiterbildungsmöglichkeiten, die vom Knast angeboten werden. Man könnte hingehen und einen Fernkurs belegen, doch muß dieser aus eigener Tasche bezahlt werden. Dieser kostet monatlich zwischen 98 und 168 Mark, wenn ich die Gebühren bei renommierten Fernschulen zugrunde lege. Wer soll das bezahlen?

Die Krönung kann also nur auf einem anderen Gebiet liegen. Ich habe mir hierzu die gesetzliche Rentenversicherungspflicht rausgesucht. Als Gefangener ist diese Form der Versicherungspflicht nicht gegeben, genausowenig wie bei der Krankenversicherung. Je länger die Inhaftierung andauert, umso geringer werden die Rentenansprüche des Einzelnen. Es werden keine Beiträge eingezahlt, aus denen sich Rücklagen bilden können, die für die Rentenauszahlung in späteren Jahren genutzt werden können. Da die Knastzeit allgemein als selbstverschuldet angesehen wird, kann, darf und wird sie nicht als Ausfallzeit in der Rentenberechnung anerkannt. Wie sieht es dann bei einem Menschen aus, der zehn Jahre oder länger im Knast war und durch diese Maßnahmen zum Sozialfall wird?

Um allerdings irgendwelche Verbesserungen auf diesem Gebiet zu erreichen, muß die Öffentlichkeit erst einmal wachgerüttelt werden. Die Gefangenen alleine werden dies kaum schaffen.

Siegfried W.D., JVA Ludwigsburg

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