Anschläge und Gefechte vor Wahlen in Beirut

Die offizielle Kandidatur des libanesischen Ex-Präsidenten Suleiman Franghie ruft die Maroniten auf den Plan / Mehrere Sprengstoffexplosionen und Scharmützel an der Demarkationslinie / Christen wollen Abstimmung verhindern  ■  Aus Beirut Petra Groll

Die gespannte Situation 36 Stunden vor der Wahl eines neuen libanesischen Staatspräsidenten entlud sich mit einer Welle von kleineren Sprengstoffexplosionen in Westbeirut sowie plötzlich ausbrechenden Gefechten entlang der „grünen“ Demarkationslinie zwischen den beiden Teilen der libanesischen Hauptstadt.

Auslösendes Moment war die Erklärung des Ex-Präsidenten Suleiman Franghie (78) vom Dienstag, für die Wahl des Nachfolgers von Staatspräsident Amine Gemayel am heutigen Donnerstag noch einmal zur Verfügung zu stehen. Franghie, der bereits von 1970 bis 1976 Staatschef war, gilt als Kandidat Syriens und ist einer von drei Kandidaten, gegen die aus Ostbeirut ein Veto erhoben wurde. Ob es heute tatsächlich zu einer Abstimmung kommt, war bis Redaktionsschluß offen. Ein Aufschub des Wahlaktes schien gestern nicht ausgeschlossen.

Die Maroniten Libanons, die sich traditionell auf ihren Minderheitsstatus als Christen in einer feindlich-arabisch -moslemischen Umwelt begreifen, versuchen, ihre Vorherrschaft durch Allianzen mit Israel, den USA und westeuropäischen Staaten abzusichern. Sie fürchten unter einem pro-syrischen Staatspräsidenten um ihre verfassungsmäßig verankerten Privilegien im Multi -Konfessionsstaat. Kurz nach der Pressekonferenz Suleiman Franghies stellte sich bereits der Chef der maronitischen Einheitsmiliz 'Forces Libanaises‘ (FL), Samir Geagea, der Presse und erklärte: „Am Donnerstag wird kein Quorum zusammenkommen, es wird auch bei folgenden Parlamentssitzungen nicht zusammenkommen, solange bis Franghie auf seine Kandidatur verzichtet.“ Mit einem Staatspräsidenten Franghie wolle Syrien, das derzeit rund 65 Prozent des libanesischen Territoriums besetzt hält, ganz Libanon unter seine Kontrolle bringen, fügte Geagea hinzu.

Nach einem längeren Streit um das von der Verfassung auf zwei Drittel der Parlamentarier festgelegte Quorum hat Parlamentspräsident Hussein Husseini mittlerweile entschieden, daß mindestens 53 Abgeordnete der einzigen Kammer an der Sitzung teilnehmen müssen. Diese Zahl geht von 79 Abgeordneten aus, deren Mandat im Januar 1987 um weitere zwei Jahre verlängert worden war. Ob dieses Quorum zustandekommt, ist völlig unsicher. Die Führung der Phalange -Partei und der Einheitsmiliz 'Forces Libanaises‘ riefen noch während der Nacht zum Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung zusammen und versuchten, die in den Christenregionen lebenden Parlamentarier zum Fernbleiben der heutigen Sitzung zu bewegen. Von mindestens zwölf Abgeordneten wird erwartet, daß sie diesem Aufruf folgen. Wie bereits bei den Wahlen von 1976 und 1982 vorgeführt, besteht aber auch die Möglichkeit, reisewillige Parlamentarier von der Teilnahme an der Sitzung abzuhalten. Die Gendarmerie und Einheiten der „Inneren Sicherheit“ (FSI) sollen die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten garantieren. Notfalls soll die Libanesische Armee zu Hilfe gerufen werden.

Unterstützung für den Kandidaten Suleiman Franghie signalisierten bis zum Mittwoch nachmittag die pro-syrische Splittergruppe der 'FL‘ des Elie Hobeika, die pro-syrische Baath-Partei, die libanesische KP und der bei Libanons Sunniten über ein offenes Ohr verfügende Bruder des im letzten Jahr ermordeten Ministerpräsidenten Karameh. Walid Jumblatt, Drusenfürst und Chef der 'Progressiven Sozialistischen Partei‘ (PSP), zog am Mittwoch morgen die Kandidatur seines Kandidaten Antoine Ashkar zugunsten Suleiman Franghies zurück. Mit diesen Erklärungen dürfte zumindest die Teilnahme der moslemischen und progressiven Abgeordneten an der heutigen Sitzung in der Villa Mansour, dem provisorischen Parlamentssitz, gesichert sein.