Präsidentenwahl im Libanon geplatzt

Wahl eines neuen Staatspräsidenten wegen Sitzungsboykotts der christlichen Abgeordneten gescheitert / Maronitische Einheitsmiliz hielt Abgeordnete an Straßensperren fest / Militärputsch nicht auszuschließen  ■  Aus Beirut Petra Groll

Der erste Anlauf, einen neuen libanesischen Staatspräsidenten zu wählen, ist gestern mittag gescheitert. Das Quorum, von Parlamentspräsident Hussein El-Husseini in letzter Minute von 53 auf 51 Abgeordnete gemindert, kam bei weitem nicht zustande. Nur 38 Abgeordnete kamen zur „Villa Mansour“, dem Notsitz des libanesischen Parlaments auf der „grünen“ Demarkationslinie zwischen den beiden Teilen der Hauptstadt Beirut. Die große Mehrheit der Abgeordneten des christlichen Lagers hat die Sitzung boykottiert. Die Sitzung, die um elf Uhr Ortszeit begann, mußte um 13.30 Uhr von El-Husseini beendet werden, ein neuer Sitzungstermin soll nach neuen Konsultationen anberaumt werden. Laut Verfassung muß der Nachfolger des jetzigen Staatspräsidenten Gemayels bis zum 23.August, einen Monat vor Ablauf der Amtszeit Gemayels, feststehen.

Der sunnitische Abgeordnete Zaher-Al-Khatib erklärte, daß 17 Abgeordnete, die ursprünglich an der Sitzung hatten teilnehmen wollen, entweder in ihren jeweiligen Residenzen oder aber an Straßensperren von Männern der maronitischen Einheitsmiliz „Forces Libanaises“ festgehalten worden seien. Mit dem Boykott der Sitzung ist vor allem der Versuch Syriens gescheitert, „seinen“ Kandidaten, den Altpräsidenten Suleiman Franghie gegen den erklärten Willen der maronitischen Phalange durchzusetzen. Der Chef der maronitischen Milizen (FL), Samir Geagea, hatte in der Nacht zum Donnerstag erneut den Boykottaufruf der gestrigen Sitzung bekräftigt. Gegen Franghie, ein persönlicher Freund des syrischen Staatschefs Assad, hatten sich auch der israelische Koordinator Uri Lubrani und US-Staatssekretär Murphy ausgesprochen.

Für große Überraschung sorgte indes ein Treffen zwischen dem FL-Chef Geagea und dem Generalstabschef der regulären libanesischen Armee, General Michel Aoun, das in der Nacht zum Donnerstag stattfand. Michel Aoun, ebenfalls ein Präsidentschaftskandidat, galt bislang als einer von drei Kandidaten, die von der maronitischen Seite mit einem Veto belegt worden sind. Beobachter in Beirut befürchten nach diesem Versöhnungstreffen, daß es im Libanon gar zu einem Militärputsch kommen könnte, falls die für die kommenden Tage anstehenden Verhandlungen auf nationalem und internationalem Level über einen Kompromißkandidaten für die nächste Sitzung scheitern. Die libanesische Armee verfügt über rund 35.000 Mann und wird als einigermaßen kohärent eingeschätzt.