Schwerster Bombenanschlag der IRA seit 1982

Acht britische Soldaten getötet und 28 verletzt / Thatcher berief umgehend Krisensitzung in der Downing-Street ein / Sinn-Fein-Präsident bedauert Tod der Soldaten / Wiederaufnahme umstrittener Internierungspolitik nicht ausgeschlossen / Weitere Anschläge befürchtet  ■  Von Ralf Sotscheck

Berlin (taz) - Bei dem seit 1982 schwersten Bombenanschlag der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) in Nordirland sind in der Nacht zum Samstag acht britische Soldaten getötet und 28 verletzt worden. Von den Verletzten schweben sechs noch immer in Lebensgefahr. Die 35 Soldaten vom 1.Bataillon der leichten Infanterie waren am Freitag von einem Heimaturlaub aus Großbritannien zurückgekehrt. Ein Reisebus sollte sie vom Belfaster Flughafen Aldergrove in ihre Kaserne nach Omagh im Südwesten der britischen Provinz bringen.

Auf der Landstraße zwischen Omagh und Ballygawley (Grafschaft Tyrone) fuhr der Bus um Mitternacht auf die IRA -Mine, die vermutlich ferngezündet wurde. Augenzeugen berichteten, daß der Reisebus völlig zertrümmert worden sei. Die Körper der Soldaten seien bis zu hundert Meter weit fortgeschleudert worden.

Am Samstag bekannte sich die Ost-Tyrone-Brigade der IRA zu dem Anschlag. In dem Schreiben an eine Nachrichtenagentur in Dublin erklärte die IRA, die Bombe habe aus 90 Kilogramm Sprengstoff der Marke „Semtex“ bestanden. Außerdem wiederholte die Organisation ihre Warnung an die Bevölkerung vor Kontakten mit den „Sicherheitskräften“.

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher brach sofort nach Bekanntwerden des Attentats ihren Urlaub in Cornwall ab und berief eine Krisensitzung mit Nordirland -Minister Tom King, dem Belfaster Polizeichef Sir John Hermon und dem Chef der Streitkräfte in Nordirland, Sir John Waters, ein. UN-Generalsekretär Perez de Cuellar, der sich zu einem Kurzbesuch in London aufhielt, sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Sinn Fein-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA bedauerte den Tod der Soldaten, wollte jedoch nicht in den „üblichen und vorhersehbaren Chor der Verurteilungen“ einstimmen. Adams sagte: „Weder Rhetorik noch Repressionen werden das Problem lösen. Die Familien der toten und verletzten Soldaten zahlen den Preis der britischen Einmischung in irische Angelegenheiten, aber irische Familien zahlen dafür schon seit Jahrzehnten.“

Die unionistischen Abgeordneten Ken Maginnis und Reverend William McCrea forderten die Wiedereinführung der Todesstrafe und der Internierungen. Maginnis reiste am Samstag zu Gesprächen mit Margaret Thatcher nach London. Der britische „Minister für die bewaffneten Streitkräfte“, Hamilton, schloß am Samstag die Möglichkeit nicht aus, daß die Internierungspolitik wiederaufgenommen werde. Doch Thatcher schreckt vor diesem Schritt noch zurück: als auf dem Höhepunkt der Auseinandsersetzungen im August 1971 fast 2.000 Verdächtige interniert wurden, stiegen die Sympathien der katholischen Bevölkerungsminderheit für die IRA stark an.

Die Behörden ermitteln derzeit, woher die IRA die Strecke kannte, die der Bus mit den heimkehrenden Soldaten nehmen würde. Der Reisebus war nicht als Militärfahrzeug gekennzeichnet. Hamilton hielt es am Wochenende durchaus für möglich, daß die IRA einen Agenten in die „Sicherheitskräfte“ eingeschleust habe. Die IRA ist offenbar entschlossen, ihre Aktionen in Anbetracht des 20jährigen „Jubiläums“ des nordirischen Konflikts im nächsten Jahr noch zu steigern. Die Mittel hat sie dazu zweifellos, auch nach Meinung britischer Militärexperten. General Glover, der ehemalige Kommandant der britischen Truppen in Nordirland, sagte, es sei „unmöglich, die IRA militärisch zu besiegen.“ In diesem Jahr sind bereits 20 britische Soldaten von der IRA getötet worden.

Am Freitag hatte sich die IRA zu zwei Bombenanschlägen in den nordirischen Städten Newry und Lisnaskea bekannt, bei denen drei Polizisten verletzt und ein Luxushotel stark beschädigt wurden. Offensichtlich leidet die IRA auch nicht an Personalmangel. Die Ost-Tyrone-Brigade, die für den Anschlag auf den Bus verantwortlich ist, war im Sommer vergangenen Jahres stark dezimiert worden, als die britische Armee im nordirischen Loughgall einen Hinterhalt gelegt und acht führende IRA-Mitglieder erschossen hatte.