piwik no script img

Als Emanuele starb

■ Spezial-Einheiten wetteiferten um Festnahme

Warum wurde die Bankräuber-Komplizin entgegen der Strategie, nur alle drei Geiselnehmer gleichzeitig zu ergreifen, auf der Toilette der Raststätte Grundbergsee „abgefischt“? Der detaillierte Bericht der Polizei bestätigt einerseits die Zitate aus dem Polizeifunk (vgl. taz 18.8.), nach der eine SEK-Einheit diese Festnahme ohne Rücksprache vorhatte. Dieser Entschluß sei dann aber kurzfristig wieder verworfen worden, erläuterte der Kripo-Chef. Zwei MEK-Beamte, die sich am Toiletten-Eingang postierten und vom Funk-Gespräch des SEK überhaupt nichts wußten, hätten dann überrascht und „unmittelbar hinter sich die Täterin“ entdeckt, die „in ihrer Hüfthöhe eine Pistole hält“.

Nur wenn die Polizeibeamten in Jeans sich wirklich bedroht gefühlt haben, war eine „Notwehr„-Festnahme legitimiert. Der polizeiliche Bericht: „Diese Waffe wird von der Täterin ständig hin und her bewegt, so daß sie sowohl auf den Beamten als auch auf die Personen im Eingangsbereich gerichtet ist.“ Polizei-Folgerung: „Für den Beamten ergibt sich keine andere Möglichkeit“ als die Festnahme. Von der Bremer Einsatzleitung wird nicht behauptet, die Beamten seien tatsächlich bedroht gewesen. Denn daß die Bankräuber ihre Waffen „ständig hin und her“ bewegten, hatten die Geiseln stundenlang zu ertragen.

Offen bleibt, warum sich Zivil-Beamte in so unmittelbarer Nähe des Busses am Toiletten-Eingang postieren konnten. Nach den Erklärungen von Kripo-Chef Möller galt in dieser Phase, als noch 27 BremerInnen in dem Bus waren, nicht mehr, daß die Polizei zum Schutze der Geiseln auf Abstand bleiben sollte. Es habe der allgemeine Auftrag gegolten, einen Zugriff vorzubereiten, erklärte Möller. Daß die Spezial -Kommandos dies ernsthaft taten und teilweise mit großer Lust, endlich zuzuschlagen (vgl. „Das Ding ist denen entglitten“, taz v. 22.8.), scheint der Einsatzleitung zu diesem Zeitpunkt nicht im vollen Umfang klar gewesen zu sein. Erst nach fünf Minuten erfuhr man in Bremen von der Festnahme. Trotz des dringenden Appells, über die Freilassung zu entscheiden, mußte die Einsatzleitung sich erst 14 Minuten lang informieren: „Wo sitzen die Täter denn jetzt? Sind denn noch Fahrgäste im Bus?“

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen