Chiles Opposition ruft zu Großkundgebung auf

■ Proteste gegen Junta-Kandidaten angekündigt / Auch Pinochet-Anhänger planen Kundgebung / Chefredakteur sozialdemokratischer Zeitschrift verhaftet / Einstündiger Journalistenstreik / Allendes Nichte aus dem Exil zurückgekehrt / Opposition will „Normalzustand“ testen

Santiago (afp) - In Chile hat die Opposition in Chile hat zu Protestkundgebungen am nächsten Dienstag aufgerufen. An diesem Tag will die Militärjunta ihren Kandidaten für das Präsidentschaftsreferendum Anfang Oktober benennen. Die Regimegegner wollen mit lautstarken Aktionen gegen die erwartete Nominierung des amtierenden Staatschefs Pinochet protestieren, kündigte ein Sprecher des 16 Parteien umfassenden NO-Bündnisses gegen den Junta-Kandidaten am Donnerstag an. Die chilenischen Journalisten traten zugleich in einen einstündigen Streik gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit.

Ebenfalls gestern erklärte der Leiter der Abteilung für „gesellschaftliche Organisationen“, Oberst Hernan Nunez, erklärte gestern, daß Anhänger der Militärjunta sich am Dienstag zu einer Solidaritätskundgebung für das Regime versammeln werden.

Die Opposition rief ihre Sympathisanten auf, am Dienstag abend mit Kochtöpfen zu klappern, um ihren Protest gegen die voraussichtliche Nominierung Pinochets zum Ausdruck zu bringen. Sie sollten jedoch an diesem Abend zu Hause bleiben, um der Polizei keinen Vorwand zum Eingreifen zu geben. Am Sonntag, 4. September, will die Opposition eine Großkundgebung in Santiago veranstalten, um zu testen, wie es nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes um „die neuen politischen Freiheiten“ bestellt ist, erklärte ein Sprecher des Oppositionsbündnisses. Kurz vor dem Plebeszit um ein zivileres Image bemüht, hat Diktator Pinochet in dieser Woche erstmals nach 15 Jahren den Ausnahmezustand aufgehoben. Nur kurz nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes hatte die Menschenrechtsorganisation amnesty international in ihrem neuen Bericht zur Situation in Chile heftige Vorwürfe erhoben. Allein in den letzten 18 Monaten, so 'ai‘, seien mehr als 100 Chilenen von Kommandos, die der Kontrolle der Sicherheitskräfte unterstehen, überfallen oder verschleppt worden. Hunderte hätten in der Pinochet-Diktatur Todesdrohugen erhalten.

Die chilenischen Journalisten unterbrachen am Donnerstag vormittag für eine Stunde ihre Arbeit, um ihrer Forderung nach Einstellung aller Strafverfahren gegen die Presse Nachdruck zu verleihen. Etwa 100 Streikende versammelten sich vor dem Präsidentenpalast, um Innenminister Sergio Fernandez ein Protestschreiben zu überreichen. Nach Angaben des Journalistenverbandes sind derzeit 31 Verfahren gegen Redakteure der Oppositionspresse wegen Beleidigung des Staatschefs oder der Armee anhängig. Der Chefredakteur der sozialdemokratisch orientierten Wochenzeitschrift 'Cauce‘, Francisco Herreros, wurde gestern verhaftet. Er soll Ende Juni durch die Wiedergabe von Äußerungen eines Rechtsanwalts in seinem Blatt den Militärstaatsanwalt und obersten Terrorfahnder Chiles, Fernando Torres, beleidigt haben.

Die Nichte des 1973 von den Militärs gestürzten Präsidenten Salvador Allende ist heimlich aus dem Exil nach Chile zurückgekehrt und stellte sich gestern den Behörden. Denis Pascal Allende erschien in Begleitung von Rechtsanwälten des kirchlichen „Vikariats der Solidarität“ vor dem Berufungsgericht von Santiago, um ihre verbotene Heimkehr zu legalisieren.