Atomkraft: Hamburg steigt nicht aus

SPD der Hansestadt legt Ausstiegsgutachten vor / Mittelfristiger BRD-Ausstieg „ökonomisch und ökologisch“ vertretbar / Mehrkosten maximal sechs Pfennige pro Kilowattstunde / SPD will keinen Sofortausstieg  ■  Aus Hamburg Florian Marten

Nach einer ganzen Reihe von Vorveröffentlichungen präsentierte gestern Hamburgs SPD-Umweltsenator Jörg Kuhbier offiziell das von ihm in Auftrag gegebene Atom -Ausstiegsgutachten des Berliner Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieses Gutachten hatte eine eng begrenzte Fragestellung: Untersucht werden sollte, ob im Falle eines BRD-weiten mittelfristigen Ausstiegs die finanziellen und ökologischen Kosten verkraftbar wären.

Das Ergebnis der Studie verwunderte niemand: Mit 4,5 bis 6Pfg. Mehrkosten je Kilowattstunde und einem deutlich höheren Schwefeldioxidausstoß wertete Kuhbier den mittelfristigen bundesweiten Konsenspfad als „ökologisch und ökonomisch vertretbar“. Die Aussagen des Gutachtens, so bestätigte das DIW, wurden entscheidend durch die ausgewählten Basismaßnahmen geprägt. Diese sehr „konservativen“ (Kuhbier) Annahmen sind ausgesprochen atomstromfreundlich, berücksichtigen beispielsweise keinerlei AKW-Risiken. Im Klartext: Bei leichter Variation der Basisannahmen würde auch ein Sofortausstieg in ökonomisch günstigem Licht erscheinen. Kuhbier aber: „Wir wollen nicht kurzfristig aussteigen.“

In den Veröffentlichungen der 'Welt‘ und des 'Spiegel‘ war das Gutachten noch anders bewertet worden. Die 'Welt‘, von interessierter Wirtschaftsseite informiert, hatte sich auf die Horrorkosten eines Sofortausstiegs für die Bilanz der Elektrizitätswerke gestützt und das Gutachten als Absage an Ausstiegsphantasien interpretiert. Kurze Zeit später hatte der 'Spiegel‘ gekontert und die politische Wunschaussage des Hamburger Senats (mittelfristiger Ausstieg ist locker machbar) kolportiert. Und wieder beteten verschiedene Medien jetzt die 'Spiegel'-Version nach.

Hamburgs Regierung, die laut Kuhbier durch das Gutachten lediglich mal „den mittelfristigen Ausstieg rechnen lassen“ will, wird keine konkrete Konsequenzen aus dem Gutachten ziehen.

Auf eine Situation, in der Kuhbiers schleswig -holsteinischer Amtskollege Günter Jansen per neuer Sicherheitsphilosophie ein AKW nach dem anderen rings um Hamburg ausknipst, sind die Hamburger Genossen nicht vorbereitet. Vorausschauende Investitionen, die Hamburg vom Atomstrom unabhängig machen könnten, werden nicht vorgenommen.

Die Grün-Alternative Liste (GAL) sprach denn auch von einem reinen „Gefälligkeitsgutachten“, mit dem der Senat seine energiepolitische Untätigkeit verschleiern wolle. Die Hamburgischen Elektrizitätswerke sind dagegen zufrieden: Sofortausstieg unmöglich, teuer, mittelfristiger Ausstieg selbst im nationalen Konsens noch enorm kostenträchtig - das hatten sie schon immer behauptet.