Auszug aus der Ständigen Vertretung

■ Straffreiheit, aber keine Ausreise für sechs DDR-Bürger, die die Ständige Vertretung Bonns in Ost-Berlin besetzten

Berlin (ap) - Der Versuch von sechs DDR-Bürgern, durch eine Besetzung der Bonner Ständigen Vertretung in Ost-Berlin eine Ausreise in den Westen zu erzwingen, ist gescheitert. Nachdem sich zumindest einige der Besetzer drei Tage lang in dem Gebäude aufgehalten hatten, teilte die Vertretung am Sonntag mittag mit, die sechs Personen hätten die Mission wieder verlassen.

Ihnen habe die DDR Straffreiheit, aber nicht die Ausreise zugesichert. Wie zusätzlich verlautete, waren in den vergangenen Monaten mehrfach ausreisewillige DDR-Bürger in die Vertretung in der Hannoverschen Straße eingedrungen, doch seien diese Fälle geräuschlos abgewickelt worden. Für internationales Aufsehen hatten Besetzungen westlicher diplomatischer Vertretungen durch DDR-Bürger zuletzt im Jahre 1984 gesorgt.

In der Erklärung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik hieß es: „Die sechs DDR-Bürger, die sich vorübergehend in der Ständigen Vertretung aufhielten, haben das Gebäude verlassen. Sie haben von den DDR-Behörden Straffreiheit zugesichert bekommen. Eine Zusage auf Ausreise wurde nicht gegeben.“ Die Gruppe, zu der einige Personen aus Jena gehörten, verließ das Gebäude zwischen 11.15 und 12.00 Uhr. Zumindest einige von ihnen waren seit Donnerstag abend in dem Gebäude.

In West-Berlin lebende ehemalige DDR-Bürger gingen davon aus, daß es sich bei den Personen nicht um aktive Mitglieder von Umweltgruppen oder der Friedensbewegung handelt. Es wird angenommen, daß sie Berufsgruppen angehören, für die die Ausreiseregelungen seit einiger Zeit sehr restriktiv gehandhabt werden. Dazu sollen unter anderem Ärzte und Mitarbeiter technischer Berufe gehören. Zuletzt waren nach Informationen der „Berliner Morgenpost“ 16 Personen in die britische Botschaft Unter den Linden gekommen. Konsularbeamte hätten sie nach drei Tagen vor die Tür gesetzt, nachdem die DDR ebenfalls Straffreiheit zugesichert habe. Außerdem wurde bekannt, daß die Ständige Vertretung im Juli mit einer siebenköpfigen Gruppe aus Jena nach ähnlicher Prozedur verfahren habe. Den sieben sei allerdings von zuständiger DDR-Seite zugesichert worden, sie könnten im September in den Westen ausreisen.