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Unbefriedigend aber konsequent

■ Freispruch für den Angeklagten im Thälmann-Prozeß

Natürlich muß das Ergebnis der Revisions-Verhandlung im „Thälmann-Prozeß“ unbefriedigend sein. Trotz des nicht unerwarteten Freispruchs für den Angeklagten Wolfgang Otto bleibt nach diesem Urteil des Düsseldorfer Schwurgerichts offen, ob und in welcher Form der ehemalige SS -Oberscharführer an der Exekution des Kommunistenführers „Teddy“ Thälmann 1944 im KZ Buchenwald beteiligt war.

An der Klärung dieser entscheidenden Frage sind die Krefelder Richter in der ersten Instanz gescheitert. Gleichwohl kamen sie nach einer außerordentlich gründlichen Beweisaufnahme zu der Überzeugung, daß Otto schon alleine aufgrund seiner Funktion als Spieß in der Lagerkommandatur des KZ-Buchenwald an der Tötung Thälmanns beteiligt gewesen sein müsse, weil der Exekutionsbefehl über seinen Schreibtisch gegangen sei. Aber selbst für diese These blieben die Krefelder Richter den Beweis schuldig. Die Verurteilung Ottos zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe mag zwar dem Gerechtigkeitsempfinden gerade auch in der Linken entsprochen haben, überzeugen konnte dieses Urteil hingegen nicht. Ein konkreter Tatbeitrag an der Exekution Thälmanns konnte Otto nicht überzeugend nachgewiesen werden.

Die erregte Kritik an dem Freispruch für den in anderen Verfahren als Nazi-Schergen und Massenmörder überführten Otto ist emotional durchaus verständlich, in der Sache selbst ist sie ungerechtfertigt. Angesichts der mehr als dünnen Beweislage ist dieser Freispruch juristisch nachvollziehbar. Das Gericht hat „im Zweifel für den Angeklagten“ entschieden. Und diese Zweifel waren zahlreich und gravierend - beispielsweise bei den widersprüchlichen Aussagen einiger Belastungszeugen.

Das Urteil ist also alles andere als ein „Justizskandal“. Skandalös sind vielmehr die über Jahrzehnte andauernden Ermittlungen des Thälmann-Mordes. Die ungeheuerlichen Schlampereien und politisch motivierten Verzögerungen durch die Staatsanwaltschaft in diesem Fall sind der ursächliche Grund für den unbefriedigenden Ausgang des Prozesses. Dieser Freispruch ist eine Anklage an die bundesdeutsche Justiz für die mehr als halbherzige Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Wenigstens deshalb war dieser Prozeß nicht ganz umsonst.

Johannes Nitschmann

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