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Deutsch-deutscher Fußball-Gipfel

■ Ost-Meister BSC Dynamo Berlin siegte 3:0 gegen West-Meister SV Werder Bremen

Ost-Berlin (taz) - Was in Korea auf olympischem Niveau nicht zu bewerkstelligen ist, nämlich Sport über Systemmauern hinweg, funktioniert deutsch-deutsch mittlerweile reibungslos. So beim Fußball-Europapokal-Match am Dienstag abend zwischen dem „Oberliga-Kollektiv unseres BSC Dynamo“ und dem „Aufgebot des SV Werder Bremen“ (Stadionzeitung) unter der Leitung des „Schiedsrichter-Kollektivs aus dem Königreich Belgien“, wie es der Mann am Lautsprecher royal -loyal angekündigt hatte.

Im Jahn-Sportpark in direkter Nähe des anti -imperialistischen Schutzwalls fertigte der deutsche Meister (Ost) aus dem vermeintlichen Fußball-Entwicklungsland den deutschen Meister (West) mit einem satten 3:0 ab. Bevor die 22 am gesamtdeutschen Abend dem Ball nachrasten, hatten die Medien (West) über verqueres Fan-Verhalten spekuliert. Doch weder feuerten die Dynamo-„Wölfe“ des in der gesamten DDR ungeliebten Dynamo-Teams die Werderaner an, noch waren halbvölkerverbindende „Deutschland, Deutschland„-Rufe zu hören.

Die gut 2.000 Bremer im Stadion mußten sich als willkommene Vertreter des gesamten westeuropäischen Fußball-Rowdytums ironische „Hooligans, Hooligans„-Sprechchöre anhören. Überraschend war eigentlich nur, daß der Ex-Ost-Fußballer Dirk Schlegel (jetzt Berlin-West) in einem Kommentar für Springers 'Welt‘ die DDR ohne Anführungszeichen schreiben durfte. Im Fernsehen-West blieb alles beim alten: Heribert Faßbender sprach nach hiesigem Sprachgebrauch nur von DDR -„Auswahl„-Spielern. Seinen Kollegen Jörg Wontorra, der auch schon mal „National„-Spieler über den Sender geschickt hatte, hatte die ARD vorsorglich bei Radio Bremen sitzen lassen. Durchaus kreativ und bundesligareif war der Jubel der Dynamo-Kicker: Wenn sie mal wieder ein Tor geschossen hatten, fielen sie auffällig demonstrativ auf die Knie. Willy Brandt, der einträchtig mit West-Berlins Regierendem Diepgen und Erich Mielke, Staatssicherheitschef und Dynamo -Präsident, auf der Ehrentribüne saß, dürfte an dieser Form der Gefühlsbezeugung besonderen Gefallen gefunden haben.

müll

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